Kaffeepause mit Folgen: Sturz beim Trinken kann Arbeitsunfall sein
Ein Sturz, der beim Kaffeetrinken am Arbeitsplatz passiert, kann unter bestimmten Umständen als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt werden. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden.
Hintergrund: Grundsätzlich keine Versicherung beim Essen oder Trinken
Die Rechtsprechung der Sozialgerichte stellt regelmäßig klar: Die Einnahme von Speisen und Getränken gilt als Befriedigung eines grundlegenden menschlichen Bedürfnisses und zählt grundsätzlich zum privaten Lebensbereich. Entsprechend steht sie in der Regel nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2022, B 2 U 5/20 R).
Der Fall: Sturz nach Hustenanfall beim Kaffeetrinken
Im vorliegenden Fall hatte ein Vorarbeiter an einer morgendlichen Besprechung in einem Baucontainer teilgenommen. Während der Besprechung trank er eine Tasse Kaffee, verschluckte sich dabei jedoch heftig und verließ den Container, um sich im Freien auszuhusten. Aufgrund des Hustenanfalls verlor er kurz das Bewusstsein, stürzte und zog sich beim Aufprall auf ein Metallgitter eine Nasenbeinfraktur zu.
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab: Das Kaffeetrinken sei nicht betriebsbezogen gewesen, sondern dem privaten Bereich zuzuordnen. Auch das Sozialgericht (SG) wies die Klage zunächst ab.
LSG: Kaffeetrinken kann Teil der betrieblichen Tätigkeit sein
Das Landessozialgericht hingegen erkannte das Ereignis als Arbeitsunfall an. Zwar bestätigte das Gericht, dass die Einnahme von Getränken grundsätzlich nicht versichert ist. Im konkreten Fall sah es das Kaffeetrinken jedoch als Teil der betrieblichen Tätigkeit an – da es während einer offiziellen Besprechung stattfand und vom Arbeitgeber ausdrücklich unterstützt wurde.
Das LSG betonte: Wenn der Arbeitgeber bei einer Besprechung Kaffee bereitstellt, geschieht dies in der Regel mit dem Ziel, die Arbeitsatmosphäre zu verbessern, die Aufmerksamkeit zu steigern und den kollegialen Austausch zu fördern. In solchen Fällen sei der Kaffeegenuss mittelbar betrieblich veranlasst.
Im konkreten Fall wurde diese Einschätzung zusätzlich dadurch gestützt, dass der Arbeitgeber selbst die Kaffeevorräte auffüllte und das Trinken während der Besprechung ausdrücklich duldete oder sogar förderte. Damit unterscheide sich die Situation wesentlich von einem privaten Kaffeekonsum während einer Pause.
Ergebnis: Unfallversicherung greift
Das LSG stufte den Vorfall daher als Arbeitsunfall ein. Die Berufung des Klägers gegen die ablehnende Entscheidung des Sozialgerichts hatte Erfolg. Zugleich wurde die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zugelassen, sodass eine höchstrichterliche Entscheidung noch aussteht.
Hinweis: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Mai 2025, Az. L 6 U 45/23
Fazit für die Praxis:
Auch alltägliche Handlungen wie das Kaffeetrinken können unter bestimmten Umständen dem betrieblichen Verantwortungsbereich zugeordnet werden – etwa, wenn sie in einen dienstlichen Kontext eingebettet sind. Arbeitgeber sollten sich bewusst sein, dass selbst vermeintlich private Handlungen in solchen Fällen versicherungsrechtliche Relevanz entfalten können.