Achtsames bewegen ohne Leistungs- oder Erfolgsdruck lernen den Körper als wertvolles Gut zu behandeln

I: Ilka Brühl
B: Annika

I: Herzlich willkommen zu von Achtsam bis Zuckerfrei, dem Gesundheitspodcast der Audi BKK. In diesem widmen wir uns einer Vielzahl an Themen, die Körper und Geist betreffen. In dieser Folge dreht sich alles um das Thema achtsames Bewegen. Ziel ist, unseren Körper als wertvolles Gut zu sehen, den wir mit angenehmer Bewegung fit halten. Oftmals empfinden wir Bewegungen aber als eine Notwendigkeit oder eine unliebsame Pflicht. Dabei ist unser Körper so viel mehr als ein bloßes Werkzeug. In dieser Episode werden wir gemeinsam mit Annika von HelloBetter entdecken, wie wir eine neue Perspektive auf unseren Körper und unsere Bewegung entwickeln können. Unser Fokus liegt dabei auf der intrinsischen Motivation, die uns dabei unterstützt, Bewegung nicht als Druck, sondern als eine wertvolle und bereichernde Erfahrung zu erleben. Wie können wir unseren inneren Schweinehund überwinden und neue gesunde Bewegungsgewohnheiten etablieren, ohne uns dabei zu überfordern? Vor allem: Wie finden wir wieder den Zugang zu den Signalen unseres Körpers, um ihm mit Achtsamkeit und Verständnis zu begegnen? Annika wird uns mit wertvollen Tipps zum Umdenken und Impulsen für den Alltag versorgen, damit diese Folge nicht nur inspirierend, sondern auch praktisch anwendbar ist. Lasst uns gemeinsam lernen, unseren Körper wertzuschätzen und achtsame Bewegung zu einer bereichernden und nachhaltigen Gewohnheit in unserem Leben zu machen. Hallo Annika, wie schön dich erneut in unserem Podcast begrüßen zu dürfen.

B: Vielen, lieben Dank, Ilka. Ich freue mich, dass du mich noch einmal eingeladen hast und dass ich heute hier sein darf.

I: Heute soll es um das Thema achtsames Bewegen gehen. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber für mich war Sport lange Zeit eine total verhasste Sache, weil ich immer als Letzte im Schulsport gewählt wurde. Deswegen war es Panik pur, wenn ich nur an Sport gedacht habe. Wie sind deine Erfahrungen?

B: Ich kann das auf jeden Fall nachvollziehen. Es gab auch eine Zeit in meinem Leben, wo ich Sport nicht mit sehr vielen positiven Gefühlen verbunden habe. Ich glaube, mittlerweile ist das ein bisschen anders. Ich habe für mich, glaube ich, den Sport oder die Art der Bewegung gefunden, die mir Spaß macht, mit der ich mich wohlfühle. Aber es war auf jeden Fall ein Weg dahin, das kann ich sehr gut nachvollziehen.

I: Du sprichst ein wichtiges Thema an. Du hast einen Sport gefunden, der dir Spaß macht. Hier kommen wir gleich zur intrinsischen Motivation. Warum ist diese beim Bewegen so wichtig, und was ist die überhaupt, falls Leute das nicht kennen?

B: Es gibt zwei Arten von Motivation, die intrinsische und die extrinsische. Die intrinsische, das Wort deutet schon darauf hin, ist die Motivation, die von innen kommt. Wir machen etwas, weil es unserem Interesse entspricht oder weil wir Spaß daran haben, weil es gute Gefühle in uns auslöst. Die extrinsische Motivation kommt von außen. Wir tun etwas, weil wir vielleicht dafür belohnt werden oder irgendetwas dafür bekommen. Die Schule ist ein gutes Beispiel dafür, auch wenn es nicht direkt etwas mit dem Sport zu tun hat. Manche Kinder und Jugendliche haben keine Lust, Mathematik und den Satz des Pythagoras zu lernen. Sie tun es dennoch, um gute Schulnoten zu bekommen. Das ist eine extrinsische Motivation, die weniger aus dem eigenen Interesse oder dem Spaß heraus entsteht. Das gilt vielleicht auch ein bisschen für den Schulsport. Kannst du deine Frage kurz wiederholen?

I: Warum ist diese intrinsische Motivation so wichtig, wenn es um Bewegung geht?

B: Bei der extrinsischen Motivation wird man generell von außen belohnt, zum Beispiel mit guten Noten. Irgendwann fällt die extrinsische Motivation weg, weil wir nicht mehr in der Schule sind. Wenn man nicht gerade Interesse und Spaß daran hat, wird man sich auch nicht mehr mit Mathematik beschäftigen. Genauso wäre es beim Sport oder bei der Bewegung, wenn ich nur etwas mache, weil ich dafür vom Arzt oder der Ärztin gelobt werde, als Beispiel. Eigentlich habe ich aber gar keine Freude, keinen Spaß daran, dann hält das in der Regel auch nicht wahnsinnig lange an. Die intrinsische Motivation ist gut, um langfristig am Ball zu bleiben. Wenn es bei mir von innen herauskommt, wenn ich selbst Spaß und Interesse daran habe, bleibe ich auch am Ball.

I: Das kann ich nachvollziehen. Bei mir war es oft der klassische Grund: Man muss Sport machen. Aber das hat nie funktioniert, erst als ich etwas gefunden habe, wo ich schon bei der Tätigkeit Spaß empfunden habe. Das ist vielleicht nicht jedes Mal gleich, denn man hat unterschiedliche Tagesformen. Grundsätzlich habe ich Dinge gefunden, die mir Spaß machen. Was ist aber, wenn jemand sagt, dass ihm Sport einfach keinen Spaß macht? Kann das wirklich sein, dass man nichts findet, was zu einem passt und was macht man dann?

B: Dass einem Sport überhaupt keinen Spaß macht, ist natürlich eine sehr generelle Aussage. Überspitzt gesagt ist es, als würde ich sagen: Essen schmeckt mir nicht. Es gibt verschiedene Sachen, die ich essen kann. Vielleicht schmeckt mir der Brokkoli nicht, dafür aber die Nudeln. Man schaut, was einem gefällt. Von daher würde ich überlegen, so wie du es für dich gemacht hast. Was fällt überhaupt alles unter Sport? Was gibt es für Sportarten? Ich habe das Joggen ausprobiert und gemerkt, so gerne ich es möchte und so oft ich es auch versuche, es ist einfach nicht mein Sport. Dann schaut man, was es noch gibt. Gibt es einen Kurs im Fitnessstudio, gib es Yoga oder Wassergymnastik? Es gibt eine Unmenge an Sportarten und man sollte sie Schritt für Schritt ausprobieren. Ich will nicht sagen, dass es völlig unmöglich ist, dass einem gar nichts Spaß macht. Aber die Chance, dass man etwas findet, was einem etwas Spaß macht, wenn man vieles ausprobiert, ist doch recht hoch.

I: Ich glaube, man muss sich auch immer wieder sagen, dass die Randbedingungen genauso variabel sind. Ich habe bis jetzt immer Gruppensport ausprobiert, bin aber eher für den Einzelsport. Ich bin immer zu festen Zeiten zu einem Kurs gegangen. Dieses Starre passt mir aber nicht. Es ist viel besser für mich, etwas in meinem eigenen Rhythmus zu machen, bei freier Zeitgestaltung. Oder auch andersherum, dass man sagt, alleine komme ich nicht hoch, aber im Teamsport werde ich mitgerissen. Man sollte mal breit denken und hinterfragen: Ist es die Tätigkeit selbst, die mir nicht gefällt, oder könnten es auch die Randbedingungen sein?

B: Das ist ein total wertvoller Tipp. Wenn es uns keinen Spaß macht, sind das vielleicht Hinweise, dass wir die Randbedingungen verändern sollten. Eine kleine Anekdote aus meinem Sport: Ich merke, dass ich etwas gefunden habe, das mir Spaß macht und intrinsisch motiviert bin. Aber ein kleines bisschen extrinsische Motivation brauche ich doch. Ich gehe zum Beispiel eher zu einem Kurs in das Fitnessstudio, wo mich der Instruktor schief anschaut, wenn ich nicht mitmache. Ein bisschen brauche ich das. Wenn ich es zu Hause machen, indem ich mir ein YouTube-Video anschaue, merke ich, dass das für mich nicht gut funktioniert. Extrinsische Motivation ist auch nicht immer schlecht. Wenn ich einen Buddy brauche, mit dem ich mich für einen Kurs verabrede, der sonst vielleicht traurig ist, wenn ich nicht mitkomme, wäre das auch ein bisschen extrinsisch. Aber das heißt eben auch nicht, dass das unbedingt schlecht ist.

I: Das kann ich total unterschreiben, dass man schaut, was einem hilft. Und alles, was hilft, ist in Ordnung.

B: Genau alles, was hilft und sich gut anfühlt, ist in Ordnung. Du meintest vorhin, es muss nicht jedes Mal Spaß machen, das ist auf jeden Fall auch wichtig. Wir müssen nicht mit Vorfreude in den Sport gehen, uns währenddessen total gut fühlen und danach total entspannt sein. Es reicht manchmal auch, dass ich danach ein gutes Gefühl habe. Das ist beim Sport oft so. Ich habe eine Einheit gemacht. Danach bin ich vielleicht stolz oder körperlich positiv erschöpft. Das kann auch eine Art von Spaß sein oder eine intrinsische Motivation, sich so fühlen zu wollen.

I: Wenn ich mit Sport anfange, habe ich immer das Problem, dass ich mir viel zu hohe Ziele setze. Ich bin Feuer und Flamme, wenn ich etwas Neues für mich entdecke und denke, nach einer Woche könnte ich auch schon einen Marathon laufen. Wie kann ich vermeiden, dass eine bittere Enttäuschung folgt, weil ich das natürlich nicht nach einer Woche kann?

B: Wir Menschen neigen dazu, uns sehr hohe Ziele zu stecken, und tappen dann in diese alles oder nichts Falle. Ich weiß nicht, ob du das auch von dir kennst. Nach einer Woche denkst du, du kannst Marathon laufen. Die Woche verstreicht und du merkst, dass es doch noch nicht geht. Du gibst auf und sagst, dass es vielleicht doch nichts für dich ist. Wenn es nicht klappt, weil wir uns sehr hohe Ziele stecken und sie dann nicht erreichen, haben wir oft das Gefühl, dass wir es gleich ganz lassen könnten. Hier muss man ansetzen. Kleinere Ziele setzen, die man erreichen kann. Anstatt jede Woche täglich ins Fitnessstudio zu gehen, sollte man sich überlegen, einmal pro Woche ein 15-Minuten-Workout zu Hause zu machen. Das zu schaffen, ist realistischer. Das sind diese kleinen Erfolgserlebnisse, die man auf jeden Fall feiern sollte und die einen motivieren, dabei zu bleiben.

I: Anderenfalls ist man auch total deprimiert und hört ganz schnell wieder auf. Deswegen geht es heute um achtsames Bewegen. Wir wollen weg von diesem ganzen Druck und Stress und einfach die Freude am Bewegen finden. Ich sage zwar die ganze Zeit Sport, vielleicht ist das ein ganz persönliches Trigger-Wort. Aber vielleicht sollte man lieber explizit von Bewegung sprechen, damit man einfach den Druck herausnimmt. Deswegen ist es ganz wichtig, dass man sich nicht mit zu hochgesteckten Zielen überfordert.

B: Sport muss nicht immer Bewegung heißen, es muss nicht immer der Kurs sein. Es kann genauso gut ein Spaziergang sein oder Treppen hoch- und hinunterlaufen. All das ist auch Bewegung und gut.

I: Wenn ich vor gewissen Dingen Angst aufgebaut habe, dass ich zum Beispiel sehr ungern ins Fitnessstudio gehe, spricht man von Gym Anxiety. Ich habe das Gefühl, dass ich dort beäugt werde und einfach nicht hineinpasse. Jeder sieht mir an, dass ich total unsportlich, deswegen gehe ich nicht. Das ist natürlich ein Teufelskreis. Wie kann ich den durchbrechen?

B: Bei allen Ängsten, wie du schon gesagt hast, entsteht oft ein Teufelskreis. Ich habe Angst, ich vermeide, durch die Vermeidung bleibt die Angst bestehen, wird vielleicht sogar noch größer. Was ich generell empfehlen würde, ist, sich der Angst zu stellen. Aber auch hier nur in kleinen Schritten. Die Gym Anxiety nicht angehen, indem ich mich zur Gym-Rushhour in die Mitte des Gym stelle und ganz besonders komplizierte Übungen mache. Man plant eine Zeit ein, wo man weiß, es ist nicht so viel los. Auch hier nimmt man sich wieder ein kleines Ziel vor und fängt vielleicht mit 15 Minuten an. Es ist vollkommen okay, nur für 15 Minuten ins Gym zu gehen. Vielleicht fängt man mit etwas an, das man kann, eine Cardio-Übung oder auf das Laufband gehen. Etwas, das man schon einmal gemacht und sich dabei wohlgefühlt hat. Wenn es mir ein besseres Gefühl gibt, kann ich auch jemanden mitnehmen. Dann steigert man sich mit kleinen Schritten. Heraus aus der Vermeidung und in diesem Fall hinein in das Gym. Es kann auch etwas anderes sein, wovor ich Angst habe.

I: Es gibt sehr vielfältige Ursachen, die uns persönlich ängstigen können. Jeder Mensch ist wahrscheinlich anders. Ich glaube, das mit den kleinen Schritten ist auf jeden Fall schon einmal richtig gut. Wenn ich keine Lust auf Sport habe, sage ich mir: Mache fünf Minuten. Wenn du weiterhin keine Lust hast, darfst du aufhören. Das habe ich auch schon gemacht. Fast immer, wenn ich erst einmal diesen bösen inneren Schweinehund überwunden habe, merke ich, dass es mir eigentlich echt guttut und mache weiter.

B: Gut, dass du das sagst. Ich habe sogar diese Zwei-Minuten-Regel, dass ich mir sage, es müssen nur zwei Minuten sein. Macht es so kleinschrittig wie möglich. Wie du schon sagst, es ist dieses Anfangen. Wenn wir einmal angefangen haben, ist das größte Hindernis eigentlich schon überwunden.

I: Hast du sonst noch Tipps, wenn ich generell einen inneren Schweinehund habe?

B: Ja, zum einen diese kleinen Schritte festlegen und ein bisschen am Erwartungsmanagement arbeiten. Weil wir oft erwarten, dass es sofort Erfolge bringt, wenn wir anfangen. Das heißt, wenn ich den inneren Schweinehund überwinde, das ein paar Mal mache, wird es kontinuierlich erfolgreich sein. Tatsächlich passiert aber am Anfang bei Bewegungen oder anderen Routinen, die wir etablieren, relativ wenig. Die Kilos purzeln nicht, wir fühlen uns vielleicht auch noch gar nicht wohl. Aber nach einer bestimmten Zeit, wenn wir das wirklich kontinuierlich 40, 50, 60-mal gemacht haben, kommt auch dieser positive Effekt. So lange muss man tatsächlich durchhalten. Das muss man sich vor Augen führen und dabeibleiben, auch wenn sich die Erwartung in der Anfangszeit nicht erfüllt hat. Ich nenne das immer das Tal der Enttäuschung. Man ist am Anfang im Tal der Enttäuschung, weil man sich etwas anderes vorgestellt hat. Zwar hat man den inneren Schweinehund überwunden und ist unterwegs, aber es bringt trotzdem noch nichts. Das muss man aushalten, man muss dabeibleiben, weil man weiß, dass irgendwann der Erfolg kommt.

I: Dabei ist es hilfreich, wenn man sich die Mühe macht, einen Sport oder eine Bewegungsart finden, die zu einem passen. Auch wenn es sich klischeehaft anhört, aber der Weg ist das Ziel. Nicht nur auf den Erfolg schauen, dass man das und das erreichen will oder so und so viele Kilos abnehmen möchte. Denn im besten Fall macht einem schon ein Teil dieser Bewegung selbst Spaß, sodass es sich bereits gelohnt hat, ohne dass sich ein Erfolg einstellt.

I: Ja, genau. Der Weg ist das Ziel. Aber man sollte auch wissen, dass der Spaß nicht am Anfang kommen muss. Es kann sein, dass er sich erst einstellt, wenn ich das ein paarmal wiederholt habe. Auch das ist okay. Nicht gleich aufgeben, wenn man merkt, dass es heute keinen Spaß gemacht hat, sondern morgen und übermorgen noch einmal versuchen. Wenn es nach häufigen Wiederholungen immer noch keinen Spaß macht, sollte man etwas anderes machen. Sei dir aber bewusst, dass es eine Weile dauern kann.

I: Wenn wir es schaffen, auf uns zu hören, und nicht die ganze Zeit über unsere Grenzen gehen. Wie wirkt sich dieses achtsame Bewegen auf meine mentale Gesundheit aus?

B: Positiv kann ich schon einmal sagen. Wir haben einmal die Bewegung an sich. Wir aus vielen Studien, dass sich Bewegung positiv auf die mentale und körperliche Gesundheit auswirkt. Wir werden fitter und unser Körper schüttet Endorphine, Glückshormone aus. Das ist ein bisschen so, als würde unser Gehirn Drogen herstellen, denn es hat einen ähnlichen Effekt. Es hellt die Stimmung auf und fördert das Wohlbefinden. Das haben wir auf der Bewegungsseite. Die Achtsamkeit, auch das wissen wir aus vielen Studien, kann Stress reduzieren und wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Es ist nicht nur ein Wellnesstrend. Das achtsame Bewegen kombiniert beides. Wir bewegen uns und sind dabei achtsam, also Win-win, eine doppelt positive Auswirkung auf die Gesundheit.

I: Das klingt einleuchtend. Kann mir die Achtsamkeit auch generell helfen, damit ich meinen Körper und seine Bedürfnisse besser verstehe?

B: Ja, auf jeden Fall. Was ist unachtsames Bewegen? Unachtsamkeit ist, wenn ich alles so ein bisschen nebenbei mache. Ich bewege mich zwar, bin aber gedanklich mit etwas völlig anderem beschäftigt. Ein kleiner Schwank aus meinem Leben: Früher war ich sehr gut im unachtsamen Bewegen und habe beim Laufen Bücher gelesen. Ich war der Meinung, dass es total schlau sei, die Zeit zu nutzen. Dadurch hast du aber gar kein Gefühl für den Bewegungsprozess, in deinen Körper hineinzufühlen, die Umwelt wahrzunehmen. Du merkst gar nicht, dass etwas zwickt, dass du Hunger hast, dir kalt oder warm ist. All das fällt weg, wenn man unachtsam ist. Wenn ich achtsam bin, kann ich auch einmal in mich hineinspüren und meinem Körper etwas Gutes tun. Wir können das einfach kurz ausprobieren, vielleicht auch die Zuhörerinnen und Zuhörer. Manchmal braucht es gar nicht viel. Wenn wir zum Beispiel einen Moment in uns hineinspüren, auf die Körperhaltung schauen, schauen, ob man bequem sitzt. Ich sitze gerade nicht besonders bequem.

I: Das ist mir gerade auch so gegangen.

B: Spüren, ob einem kalt oder warm ist und dann eine Kleinigkeit ändert, um dein Wohlbefinden ein bisschen zu verbessern. Vielleicht stellst du die Füße einmal auf den Boden, nimmst dir ein Kissen oder eine Decke oder machst das Fenster auf. Ich merke gerade, dass es mir ganz guttut, wenn ich meine Schultern kreise. Wie geht es dir, was hast du bemerkt?

I: Ich habe mich weiter aufgerichtet. Ich sitze sehr aufrecht durch jahrelange Physiotherapie, aber immer, wenn ich mich zu meinem Podcast-Mikrofon beuge, verfalle ich in einen Rundrücken. Ich sollte wieder einen größeren Podcastständer aufbauen, um den Achtsam-Podcast aufzunehmen. Seit ich aufrechter sitze, kann ich wieder viel besser atmen und fühle mich besser.

B: Das ist schön. Diese kleinen Momente, diese kleinen Check-ins sind wichtig. Wie fühle ich mich gerade? Habe ich vielleicht Hunger? Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich vergesse manchmal, dass ich Hunger habe, wenn ich richtig im Stress bin.

I: Man ist so sehr mit dem beschäftigt, was man gerade tut, dass man seine Bedürfnisse ausblendet. Ich habe es mir vor einiger Zeit angewöhnt, immer wieder einmal innezuhalten und mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Anstatt mich zu pushen, indem ich den nächsten Kaffee trinke, lieber fünf Minuten atmen. Ich merke gleich, dass ich genau das gebraucht habe und nicht den nächsten Koffeinkick.

B: Ganz genau. Ich glaube, diese kleinen Check-ins sind superwichtig. In den Körper hinein spüren und schauen, was er gerade braucht. Es kann eine Kleinigkeit sein, es muss nicht viel sein. Einfach nur einmal die Haltung zu ändern, macht schon etwas mit dem Körper.

I: Ich habe beim Sport immer eine Übung gemacht, die wie ein Klappmesser funktioniert. Man liegt auf dem Rücken und hebt die Beine im 90 Grad Winkel an. Das machen alle und keiner hat jemals gesagt, dass bei ihm etwas knackt. Deswegen habe ich gedacht, das scheint normal zu sein. Aber jedes Mal, wenn ich einen gewissen Winkel überschreite, knackt es bei mir im Rücken. Ich habe die Übung trotzdem jahrelang gemacht, weil ich dachte, das muss wohl so sein. Bis meine Hebamme mir gesagt hat, dass das nicht im Rücken knacken muss, wenn ich diese Übung mache. Seitdem achte ich mehr auf meinen Körper und mache keine Übung, wenn es an komischen Stellen knackt.

B: Wenn du achtsam in den Körper hinein spürst, spürst du auch die Grenzen des Körpers. Wo knackt es, wo zieht es? Dafür muss man ein Gespür bekommen und eine Übung auswählen, die zu deiner Verfassung, die kann jeden Tag anders sein, und deinem Körper passt.

I: Man sollte sich auch nicht dafür schämen, es nicht zu machen. Ich habe mir schon gedacht, dass ein Knacken im Körper nicht gut ist. Aber es war mir unangenehm. Es war mir unangenehm, in einem Kurs, wo ich eine der jüngsten Teilnehmerinnen bin, eine Übung nicht zu machen, während Menschen neben mir, die älter sind, easy-peasy ihre Beine in die Luft werfen. Aber das hat überhaupt nichts zu sagen. Mein Körper ist anders als ihr Körper, also mache ich die Übung anders. Ich habe die Übung durch eine andere ersetzt. Das Schöne ist, dass es viele Übungen und Bewegungsabläufe gibt. Warum soll man sich durch irgendetwas quälen, das einem nicht guttut?

B: Ganz genau. Wie du schon sagst, ist jeder Körper anders. Hier sind wir wieder bei der Anxiety, dass man es als unangenehm oder sozial unerwünscht ansieht, eine Übung anders zu machen oder nicht zu machen. Aber: Hört auf euren Körper und macht nur das, was sich gut anfühlt und was nicht knackt.

I: Wenn ich das Gefühl habe, dass ich kaputt bin und mich eigentlich gar nicht bewegen möchte, meldet sich wieder der innere Schweinehund. Aber vielleicht habe ich noch einen Muskelkater vom letzten Mal, vielleicht war auch der Arbeitsalltag anstrengend. Woher weiß ich, wann es Sinn ergibt, kurz über meine Grenzen zu gehen und zu sagen: Ich mache das jetzt, am Ende wird es mir guttun. Oder ist es in Ordnung, dass ich den Abend auf der Couch verbringe?

B: Eine Balance zu finden, ist gar nicht einfach. Beides ist wichtig. Sowohl die Bewegung als auch Erholung und Ruhe für den Körper. Wenn wir in uns hineinspüren und nicht genau wissen, ob das gerade eine Vermeidung ist oder einfach nur Lustlosigkeit, sollte man fünf oder zwei Minuten üben. Wenn ich dann merke, dass ich nach der richtig harten Sportsession von gestern heute Muskelkater habe, ist es okay, auf der Couch zu bleiben.

I: Das ist ein guter Punkt. Kurz den Test machen und wenn man merkt, es ist der Muskelkater sich die Ruhe gönnen.

B: Genau, und sich nicht wieder überfordern. Wenn man ehrlich zu sich ist, weiß man meistens, ob es das eine oder das andere ist. Wenn es doch der Schweinehund ist, dann die Zwei- oder Fünfminutenregel anwenden, kurz bewegen. Danach kann ich mich immer noch erholen.

I: Wichtig ist auch, dass man langfristig denkt. Wenn ich mit etwas beginne, mache ich oft ein zu langes Intervall, weil ich denke, du kannst noch, mache weiter. Ich mache nicht die geplante halbe Stunde, sondern eine dreiviertel Stunde oder eine Stunde. Ich merke aber, dass durch diesen großen Zeitaufwand meine Hemmschwelle steigt, es wieder zu tun. Deswegen ist es schlauer, nach der halben Stunde aufzuhören, obwohl man noch könnte. Dafür mache ich in zwei Tagen wieder etwas. Anstatt zu denken, dass einem wieder eine Stunde vom Tag fehlt und es dann nicht macht.

B: Hier sind wir wieder bei den kleinen Zielen. Wenn wir uns diese großen Ziele setzen und sie nicht schaffen, weil man am nächsten Tag diese Stunde nicht hat, tappt man wieder in diese alles oder nichts Falle, dann lässt man es ganz. Es geht mehr um die kontinuierliche Wiederholung als um eine Perfektion oder eine lange Session. Es geht um das Anfangen und um das Machen. Damit sich wirklich eine Routine etabliert, braucht man 66 Wiederholungen. Dorthin muss ich erst einmal kommen. 66-mal eine Stunde Sport, ist das realistisch? Eher nicht. Lieber schauen, ob man fünf oder zehn Minuten machen kann, dafür aber jeden Tag. Irgendwann ist es Routine und passiert wie von selbst. Es ist automatisiert und man braucht gar nicht mehr groß darüber nachzudenken.

I: Gibt es Bewegungsformen, die besonders gut geeignet sind für achtsame Ausführungen?

B: Grundsätzlich würde ich sagen, dass man jede Bewegung achtsam durchführen kann. Achtsam heiß, dass ich während der Bewegung in meinen Körper hinein spüre. Wie fühlt sich die Bewegung an, ohne zu bewerten? Wie fühlt sich der Fuß am Boden an? Was spüre ich? Ist es kalt oder warm? Wo zieht es vielleicht? Wo spüre ich einen Druck? Das funktioniert, gerade wenn man damit beginnt, mit eher langsamen Bewegungen. Ich würde als ersten achtsamen Bewegungsprozess nicht das Joggen empfehlen, sondern eher das Gehen, weil es rhythmisch gleichbleibend ist. Ich würde sagen, eine Anfängerbewegung für achtsames Bewegen wäre das Gehen.

I: Je schneller es ist, desto schwieriger wird es. Beim Teamsport, wo man von anderen abhängig ist, zum Beispiel im Fußball, kann ich nicht entscheiden, ob ich zum Ball laufe, wenn ich angepasst werde oder auf meine Atmung achte. Besser sind Sachen, die man alleine macht und Zeit hat wie beim Gehen. Man kann man sich ja langsam steigern.

B: Genau, mit etwas Langsamem anfangen und wenig Ablenkung. Teamsport ist oft sehr laut. Eher in die Natur gehen, sich fünf oder zehn Minuten Zeit nehmen. Erst langsam gehen, dann achtsam schnelleren Schrittes, das wäre ein guter Start.

I: Wie kann ich das im Alltag beibehalten? Wie kann ich es in meinen Alltag integrieren? Oft mache ich es eine Zeit lang und dann höre wieder auf. Was kann ich im Alltag machen, was sich nicht wie Sport anfühlt? Was kann ich nebenbei machen, was aber doch eine Auswirkung hat?

B: Man schaut sich den eigenen Tagesablauf an. Ich kenne das, wenn Leute sagen, dass ihr Tag schon voll genug ist und sie es nicht schaffen, sich zusätzlich zu bewegen. Besser ist es, man schaut nicht, was man zusätzlich machen kann, sondern was man stattdessen machen kann. Oder wie ich Dinge, die ich ohnehin mache, mit achtsamer Bewegung kombinieren kann. Typisch sind Haushaltstätigkeiten oder Gartenarbeit. Hier hat man schon Bewegung, die man auch achtsam durchführen kann. Ein Klassiker ist das Treppensteigen, anstatt den Fahrstuhl zu nehmen. Fahrrad statt Auto. Dinge, die ich täglich mache, kann ich mit Bewegung kombinieren. Zähneputzen zum Beispiel oder telefonieren. Morgens und abends kannst du beim Zähneputzen Kniebeugen machen. Du hast dann Bewegung, aber nicht zusätzlich, sondern in Kombination mit etwas anderem.

I: Das mache ich tatsächlich. Beim Zähneputzen wippe ich immer hoch und herunter. Ich habe gelernt, dass es gut für die Wadenmuskulatur ist, weil man die sonst sehr selten benutzt.

B: Dadurch etablieren sich diese Gewohnheiten, denn Zähneputzen machst du täglich. Ich habe mir beim Duschen angewöhnt, die Mundmuskulatur aufzuwärmen. Das habe ich bei einem Rhetoriktraining gelernt. Gerade wenn man den ganzen Tag viel redet, ist das eine ganz coole Sache.

I: Es ist wirklich klasse, wenn man das kombiniert. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Man baut diese Routine auf und irgendwann ist es verknüpft. Sobald ich die Zahnbürste in die Hand nehme, gehen meine Füße hoch. Das ist total praktisch. Wenn ihr etwas für euch findet, das ihr ohnehin regelmäßig macht, und sei es nur eine Kleinigkeit, kommt am Ende doch ganz schön etwas zusammen.

B: Wir überschätzen oft, was wir in kurzer Zeit schaffen oder was sich in kurzer Zeit verändert, und wir unterschätzen, was sich langfristig verändern kann. Wenn du beim Zähneputzen immer wippst, rechne das einmal hoch, wie oft du das in deinem Leben machst. Wie oft machst du das pro Woche? Das ist nicht zu unterschätzen, was in einem längeren Zeitraum möglich ist.

I: Wenn ich mir vorstelle, ich mache das zwei Minuten lang und es hat bereits Auswirkungen. Deswegen fordere ich alle auf, das beim nächsten Zähneputzen zu machen. Ihr werdet merken, dass eure Waden brennen. Der Einfluss ist größer, als man manchmal denkt.

B: Ich werde das auf jeden Fall heute Abend ausprobieren. Das Zähneputzen habe ich noch nicht verknüpft, was ich eigentlich gut machen könnte.

I: Hast du sonst noch irgendetwas, was zum Thema achtsames Bewegen wichtig ist?

B: Es waren die einen oder anderen Tipps dabei. Probiert es einfach aus. Generell gibt es keine richtige oder falsche Achtsamkeit. Achtsamkeit ist kein Wettbewerb, man kann nichts falsch machen. Wenn ihr es ausprobiert und merkt, dass ihr abgelenkt wart oder glaubt es nicht ganz richtigzumachen. Diese Fragen sind Kern der Übung. Sich bewusst zu werden, dass man mit den Gedanken woanders war und sich dann wieder auf die Übung fokussiert. Dann seid ihr schon achtsam, dann seid ihr schon in der Achtsamkeitspraxis. Liebevoll mit sich umgehen und es nicht als Wettbewerb sehen.

I: Wenn dir das Interview mit Annika gefallen hat, haben wir noch eine Empfehlung für dich. Wenn du dir psychologische Hilfe wünschst, kann HelloBetter dir helfen. Hier bekommst du wirksame psychologische Soforthilfe. Ganz ohne Wartezeit, online von zu Hause aus, egal wann und wo du gerade bist, auf Smartphone, Tablet oder Laptop. Das Beste: Mit Rezept übernimmt die Audi BKK jegliche Kosten. Von Themen wie Stress und Burn-out über Schlaf bis hin zu Panikattacken wird ein breites Spektrum abgedeckt. Informiere dich einfach über den Link in den Shownotes. Das war die erste Folge nach der Sommerpause. Ab jetzt hörst du uns wieder regelmäßig jeden Monat am 15. Wenn dir die Folge gefallen hat, hinterlasse uns gerne eine Bewertung. Und noch viel wichtiger: Abonniere unseren Podcast auf einem Player deiner Wahl, um nichts mehr zu verpassen. In einem Monat heißt es wieder: Es ist Zeit für von Achtsam bis zuckerfrei, deinem Gesundheitspodcast der Audi BKK.

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