Resilienz: Das Immunsystem der Seele

I: Herzlich willkommen zu „Von Achtsam bis Zuckerfrei“, dem Gesundheitspodcast der Audi-BKK. In diesem widmen wir uns einer Vielzahl von Themen, die Körper und Geist betreffen. Resilienz ist eines dieser Wörter, die mir in den letzten Jahren immer wieder begegnet sind. Aber was steckt dahinter? Ist es nur ein Modewort? Oder ist Resilienz etwas, dem wir Aufmerksamkeit schenken sollten? Wie lässt sich Resilienz verbessern? Was ist etwas auf das wir achten und vermeiden sollten? Über all diese Dinge spreche ich in dieser Podcast-Folge mit Jaqueline Keller. Sie ist Trainerin und Coach für Resilienz. Sie wird mir einige Fragen beantworten, sodass auch du am Ende weißt, wie du Resilienz in dein Leben einbauen kannst und warum es so wichtig ist. Hallo liebe Jaqueline. Schön, dass du heute hier bist.

B: Danke vielmals. Hallo liebe Ilka. hallo liebe Hörerinnen und Hörer. Ich freue mich sehr heute hier zu sein.

I: Wie würdest du dir erklären, dass man in der letzten Zeit immer häufiger von Resilienz hört? Ist es so, dass wir ein immer größeres Bedürfnis danach haben, weil wir immer gestresster sind? Oder wird in dem Bereich heute einfach mehr Forschung betrieben und wir erfahren mehr darüber durch die neuen Erkenntnisse?

B: Das ist eine spannende Frage, die ich mir natürlich auch gestellt habe. Als ich selbst etwas forschte fand ich heraus, dass die Resilienzforschung noch gar nicht so alt ist. Emmy Warner hat es beispielsweise sehr ins Rollen gebracht. Sie hat eine langjährige Studie in Hawaii gemacht. Erst dann hat es begonnen. Das war so in den 1950er bis 1970er Jahren. Jetzt erst kommen dazu immer mehr Forschungen und wir können das Thema Resilienz mehr greifen, in Worte fassen und definieren. Deshalb kommt es immer mehr. Es gibt immer mehr Studien. Aber unsere Welt ist natürlich auch immer schnelllebiger geworden. Wir sind immer vernetzter. Ich glaube nicht, dass wir anfälliger sind, sondern, dass die Anforderungen der Außenwelt, also der Umwelt wo und wie wir leben, immer stärker und höher wurden. Wir sind durch das Handy immer vernetzter. Es kann immer klingeln, oder eine Erinnerung kann aufploppen. Wir werden mit all den Sinnen und Reizen so verzerrt. Ich glaube, dass es einfach immer wichtiger ist, mehr auf Resilienz zu achten, aber auch zu schauen, wie wir die Außenwelt etwas leiser machen können. Wir müssen nicht alles immer mit uns selbst ausmachen.

I: Auch wenn ich jetzt sage, dass der Begriff in aller Munde ist, müssen wir auch sichergehen, dass alle Hörerinnen und Hörer wissen, wovon wir reden. Würdest du bitte einmal erklären, was Resilienz überhaupt bedeutet?

B: Ja, es ist natürlich sehr wichtig, dass wir ein gemeinsames Verständnis aufbauen, damit wir wissen, ob wir vom Gleichen sprechen. Ich würde Resilienz als die Widerstandsfähigkeit von Personen definieren. Es ist also die psychische Stressfähigkeit, die Möglichkeit oder Fähigkeit nach einer Krise oder Herausforderung, die wir im Leben hatten, wieder aufstehen zu können. Schöne Bilder, die die Resilienz beschreiben zum Beispiel diese Figur, die wir als Kinder hatten, die man umfallen lassen konnte, die dann aber wieder aufstand. Dieses Stehaufmännchen, das wir antippen konnten, aber es stand wieder auf. Wir alle fallen im Leben mal, aber wir stehen wieder auf. Das ist die Resilienz. Der Begriff Resilienz kommt aus der Physik. Wenn man eine Feder runter drückt, dann geht sie runter, kommt aber wieder von alleine zurück. Sie kommt also wieder in die Ursprungsform. Bei der Resilienz können wir nicht nur sagen, dass wir in die Ursprungsform zurückkommen, sondern vielleicht sogar stärker sind als zuvor. Das ist die Resilienz: Die innere psychische Stärke.

I: Man kennt ja Situationen, in denen eine Person unverhältnismäßig stark auf etwas reagiert. Es passiert eine Kleinigkeit, die eigentlich kein Drama darstellt, aber die Person war innerlich schon so angespannt, dass sie dann richtig explodiert. Ist das ein Zeichen von schwacher Resilienz?

B: Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Ich würde es nicht so verallgemeinern. Dir oder auch mir ist sicherlich schon passiert, dass man in einer stressigen Situation etwas dünnhäutiger war und anders reagierte, als man es von sich erwartet hätte. Das hängt auch von der Tagesform ab. Oder vielleicht wurde man in der Situation besonders herausgefordert und eventuell genau bei einer Verletzung von Früher getriggert. Vielleicht wurde man also an einem wunden Punkt getroffen. Natürlich kann sein, dass Menschen die schneller an die Decke gehen, weniger resilient sind. Aber ich würde das nicht verallgemeinern, weil das auch resilienten Menschen passieren kann, denke ich. Es ist auch von der Tagesform abhängig. Und wir sind alle noch Menschen. So würde ich das beantworten.

I: Ich bin froh, dass du das sagst. Es zeigt ja, dass wir keine Maschinen sind. Wir sind nur Menschen. Keiner von uns ist perfekt. Wir sind nicht entweder zu 100 Prozent resilient oder zu 0 Prozent, sondern haben gute und schlechte Tage. Man kann sich eine grundsätzlich resiliente Haltung aneignen, aber wird immer wieder Momente haben, die einen herausfordern. Wenn man dann voller Selbstmitgefühl ist, ist das der beste Umgang damit denke ich. Was meinst du?

B: Das hast du so schön gesagt. Ich finde es bei Resilienz schwierig eine schöne Balance zwischen einer guten oder gesunden Selbstoptimierung und dem Menschbleiben zu finden. Wir wollen ja wachsen. Wir wollen ja lernen. Zumindest wollen viele von uns an sich selbst arbeiten und resilienter werden. Das ist ja auch möglich. Jedoch gibt es eine Grenze zwischen dem Willen immer besser werden zu wollen und dem anderen. Ich finde da schon fast wieder gefährlich, dass wir in so einen Selbstoptimierungswahn kommen können. Die Resilienz könnte, wenn man nicht aufpasst, dazu führen, dass dies geschieht. Deshalb braucht es eine gute Balance zwischen einer freudvollen, friedlichen und spielerischen Art und Weise, wie man sich weiterentwickeln möchte und dem Selbstoptimierungswahnsinn.

I: Vor kurzem habe ich einen spannenden Bericht gelesen. Da ging es darum, dass wir mittlerweile so viele Tools haben, wie wir uns optimieren können, was ja total legitim ist, aber, dass man sich immer wieder fragen sollte, was der Sinn dahinter ist, also warum man das tut. Macht man das, um eine richtige Arbeitsmaschine zu werden, die 14 Stunden hochoptimiert durchpowern kann? Oder habe ich diese Tools, um trotz eines normalen Arbeitstages einen schönen Feierabend zu haben und ein entspannter Mensch zu sein?

B: Genau. Resilienz kann ganz sicher dabei helfen das zu erreichen. Resilienz kann dabei helfen einen glücklicheren, entspannteren und gelasseneren Alltag zu haben, weil man mit Herausforderungen, die an einen herankommen, wie Corona oder einen Jobverlust, besser umzugehen. Wenn man eine gute Resilienz hat, kann man auch gut damit umgehen, wenn Dinge passieren wie diese, oder ein Todesfall oder ähnliches.

I: Wir sind uns also einig darüber, dass Resilienz eine ganz tolle Sache ist. Aber wie lerne ich das denn nun?

B: Als ich das zum ersten Mal gehört habe, konnte ich nicht genug vom Thema Resilienz bekommen. Ich meine so, dass ich wirklich etwas dazu beitragen kann und lernen kann, dass ich resilienter bin. Du hast diese Faktoren angesprochen. Da gibt es ganz viele verschiedene Faktoren. Wenn ich auf diese Faktoren baue, verhelfen sie mir zu einer höheren Resilienz. Da gibt es noch nicht ein einziges Modell, welches ganzheitlich akzeptiert worden ist. Da ist man immer noch in der Forschung. Aber einige Faktoren kann ich aufzählen. Es gibt zum Beispiel das Modell der sieben Säulen der Resilienz. Es gibt auch von der amerikanischen Psychologievereinigung zehn Faktoren. Vier davon kann ich mal aufzählen, mit denen ich mich selbst intensiv in Wissenschaft und Praxis auseinandergesetzt habe. Es ist zum Beispiel der Optimismus. Optimismus ist ein Faktor, der mich vor herausfordernden Situationen schützen kann. Es ist der Schutzfaktor positive Emotionen. Das meint beispielsweise Dankbarkeit, Neugierde, Liebe, Freude. Alle positiven Emotionen. Es gibt den Faktor Selbstwirksamkeitserwartung. Das ist ein langer Begriff aus der Psychologie. Es meint aber einfach nur den Glauben an mich selbst. Und es gibt das Thema der Achtsamkeit. Dabei geht es darum sich darüber bewusst zu werden, was gerade passiert, was man gerade denkt. Warum man beispielsweise gerade an die Decke gegangen ist, oder vielleicht sogar sich zu ertappen, bevor man an die Decke geht und in alte Muster fällt. Das wären vier Faktoren, mit denen ich mich sehr intensiv auseinandergesetzt habe.

I: Haben diese vier Faktoren alle eine gleiche Gewichtung? Oder ist es vielleicht von Mensch zu Mensch unterschiedlich?

B: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, weil ich dazu keine Studien gefunden habe. Deshalb kann ich es wirklich nicht beantworten. Ich hätte es jetzt ungefähr gleich gewichtet. Die Personen die merken, dass sie eigentlich eher ein Pessimist sind, und das merken und dieses hohe Bewusstsein haben, dass sie das über sich selbst erfahren haben und wissen, dann könnte es ja eine Möglichkeit sein, dass diese Menschen sagen, dass sie jetzt eher am Schutzfaktor Optimismus arbeiten möchten.

I: Das heißt, dass man dann einfach individuell schaut, welche dieser Faktoren gut zu einem passen und konzentriert sich auf die?

B: Ja genau. Aber ich würde mich wirklich für den Moment auf einen Faktor konzentrieren. Ich würde dann in diesem Feld so viel wie möglich üben, bevor ich zum nächsten gehe. Sonst besteht einfach die Gefahr, dass man sich zu viel vornimmt und es dann doch nicht tut. Oder man schaut es nicht genug in die Tiefe an. Deshalb lieber erst auf einen Faktor konzentrieren und dann zum Nächsten gehen.

I: Wenn wir also zusammenarbeiten würden, dann würden wir erst den Bereich festlegen, in dem wir was tun. Wie geht es dann weiter? Was kann man da dann so machen, um meine Resilienz zu verbessern?

B: Das ist eine gute Frage. Genauso mache ich das. Ich arbeite im Coaching wirklich so, dass ich versuche herauszufinden, wo die Klienten merken, dass sie gerne daran arbeiten würden. Manchmal zähle ich einige auf und sie sagen dann selbst, wo sie Schwächen haben, oder ich finde es anhand von Gesprächen heraus. Sobald wir das haben, frage ich, ob sie zum Beispiel am Faktor Optimismus arbeiten möchten. Dann erarbeiten wir gemeinsam Resilienz Tools, die diese Person wie ein Werkzeug mitnehmen kann, um das immer wieder zu festigen und anzuwenden.

I: Das ist natürlich eigentlich immer sehr individuell. Aber gibt es vielleicht ein Tool, was du gerade allen Hörerinnen und Hörern an die Hand geben kannst, was in den meisten Fällen sehr nützlich ist?

B: Ja, unbedingt. Für zwei Faktoren kann ich mal ein paar Tools mitgeben. Teilweise sind das auch schon von der Wissenschaft gut erforschte Tools. Teilweise stehen die aus der Praxissicht sehr gut da. Ich habe Interviews gemacht mit Menschen, die sich in der Praxis schon lange damit beschäftigen. Das ist eine Mischung davon. Beim Optimismus habe ich etwas aus der Wissenschaft von der Frau Lubomirski zum Thema des Optimismus’ mit ihren Klienten schauen, wann sie etwas Positives gedacht haben. Jedes Mal, wenn die Person merkt, dass sie das gemacht hat, also zum Beispiel kommt ein Schüler nach Hause und sagt jemand hat ihn nicht angerufen: „Der mag mich bestimmt nicht.“ Das wäre eher der pessimistische Anteil. Vielleicht kommt der mal nach Hause und sagt: „Die Tina hat mich nicht angerufen. Aber das muss nicht heißen, dass sie mich nicht mag. Fakt ist einfach, dass sie mich nicht angerufen hat. Warum weiß ich gerade nicht.“ In all den Momenten, wo er nicht in den Pessimismus gefallen ist, würde er einen Cent, einen Euro oder in der Schweiz einen Franken, in ein Glas werfen und sich daran erfreuen, immer dann, wenn er merkt, dass er die Perspektive oder Denkweise verändert hat. Verstehst du wie ich das meine?

I: Ja. Das ist eine tolle Taktik.

B: Auch hier ist es so, dass der Fokus nicht ist, wo man pessimistisch war, sondern eher, wo man es wieder geschafft hat. Ich finde, dass darin eine ganz andere Haltung steckt. Nicht: „Jetzt habe ich es da nicht geschafft und da nicht geschafft.“, wie in der Schule, wo man auf Fehler kontrolliert wird. Sondern achtet man auf alle Situationen im Alltag, wo man es geschafft hat. Das ist ein Tool von dieser russischen Wissenschaftlerin. Das könnte man tun, indem man sich seine Gedanken betrachtet. Was denke ich den ganzen Tag über? Und man erfreut sich, wenn man etwas positiv gesehen hat.

I: Das werde ich mir auf jeden Fall merken. Denn es ist doch so, dass man oft den Fokus auf das Negative lenkt, auch wenn man das gar nicht möchte. Dabei gibt es doch so viel Positives, auf das wir stattdessen achten könnten.

B: Ja. Und sogar ich als Resilienz Trainerin habe immer wieder schwierige Gedankenangebote, wie ich es nennen würde. Auf dieses Angebot muss ich einfach nicht eingehen. Aber das passiert auch mir. Der Schlüssel dazu ist einfach sich dessen bewusst zu sein und nicht unbedingt sofort darauf reagieren zu müssen. Es gibt auch eine spannende Studie. Sie wurde mit Kriegsgefangenen gemacht, die zurückgekommen sind. Das ist eine offizielle Studie. Man hat gesehen, dass diejenigen, die einen höheren Optimismuswert haben, weniger oft in posttraumatische Belastungsstörungen gefallen sind als Leute, die weniger optimistisch waren. Und ich finde spannend, dass man das sogar in solchen Extremsituationen sehen kann. Es ist wirklich wissenschaftlich betrachtet worden. Das finde ich so spannend.

I: Spannend, dass es selbst bei so extremen Fällen funktioniert. Das spricht ja für die Wirksamkeit dieses Tools.

B: Ja, genau. Der Optimismus wurde so wie ein Intelligenztest gemessen. Wie wir Intelligenztests machen können wir auch Optimismustests machen. So wurde das bei diesen Kriegsgefangenen betrachtet. Es ist wirklich wirksam. Auf Optimismus will ich noch eingehen: Es bedeutet nicht einfach eine rosa-rote Brille zu tragen und einfach alles schön zu reden. Es heißt nicht, nicht zu sehen, was wirklich eine Gefahr oder ein Risiko sein könnte. Optimismus bedeutet auch das zu sehen, was gut ist. Das zu sehen, was klappen könnte. Das bedeutet Optimismus. Und Optimismus hilft mir wieder ins Tun zu kommen und nicht einfach starr vor all den Risiken und Gefahren zu sein, die vielleicht vor einem lauern.

I: Ja. Zum Leben gehören eben gute und auch schlechte Momente. Das ist nichts, was man ändern kann. Es wird immer wieder auch harte und herausfordernde Phasen und Situationen geben. Wenn man optimistisch ist, dann will man einfach nur dafür sorgen, dass man den Fokus auf das Positive legt, während man bei der toxischen Positivität beispielsweise einen nicht guten Fall antrifft. Das wird ja auch in letzter Zeit immer wieder erforscht. Da verdrängt man das Negative. Da sagt man, dass es nicht da ist: „Das passt schon und alles ist super.“ Das ist damit nicht gemeint. Das siehst du ja wahrscheinlich ganz genauso. Es geht nur darum, dass man akzeptiert, dass beides zum Leben dazu gehört. Man soll einfach den Fokus auf die schöneren Dinge im Leben lenken und auch die Dankbarkeit ein bisschen üben.

B: Ja, genau. Ich bin ganz deiner Meinung. Du hast es echt schön gesagt. Du bringst mich auch auf das zweite Tool, welches ich angeteasert habe. Wenn es darum geht die eigenen positiven Emotionen zu fördern und immer mehr davon im Alltag zu haben, dann könnte man mit einer Emotion, der Dankbarkeit, arbeiten. So viele kennen es schon, dass wir uns am Abend noch drei oder fünf oder zehn Dinge aufschreiben, für die wir dankbar sind. Vielleicht dankbar für eine schwierige Sache in meinem Leben, aus der ich etwas lernen durfte. Oder dankbar auch für schöne Momente wie ein Lächeln von einem fremden. Oder eine schöne Blume auf dem Gehsteig. Wenn wir lernen uns auf das zu fokussieren, dann kann sich auch die Gehirnstruktur verändern und wir sehen immer mehr davon. Das worauf wir den Fokus setzen, wird immer größer. Wenn wir ihn auf das setzen, was schön ist in unserem Leben, dann wird das Schöne in unserem Leben immer größer. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ich mache das seit 2007. Da kam ich in den Kontakt mit diesem Tool. Es acht so viel aus. Es ist so schön. Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich ein sehr viel dankbarerer Mensch geworden bin. Ich kann mich über so vieles freuen. Das gibt einfach Lebensfreude. Es ist so ein bekanntes Tool. Aber ich finde, und deshalb erwähne ich es hier auch, es ist total wichtig.

I: Das kann ich total nachvollziehen. Ich habe auch vor ein paar Jahren damit begonnen, im Rahmen meines Bullet-Journals, mich morgens oder abends in Dankbarkeit zu üben. Das war eine ganz spannende Entwicklung. In der ersten Woche ist mir jeden Tag etwas eingefallen. Die größten Punkte meines Lebens hatte ich dann so abgearbeitet und dann da und dachte mir: „Wofür bist du denn jetzt noch dankbar?“ Es fiel mir teilweise gar nicht mehr so einfach was zu finden. Mittlerweile bin ich darin so geübt, dass es ist als hätte jemand einen Stopfen gezogen und die ganzen Dankbarkeitsideen fließen nur so aus mir heraus. Ich kann mich manchmal gar nicht entscheiden, weil ich alles so schön wahrnehmen kann. Manchmal ist es nur wie toll das Licht durch mein Fenster bricht. Dann bin ich in dem Moment so dankbar, dass ich diese visuelle Erfahrung machen durfte.

B: So schön wie du das erzählst Ilka. Und ich kenne es genauso. Ich kenne es wie es bei mir begonnen hat und sehe es auch bei meinen Coaching-Klienten. Es macht so viel aus. Dazu möchte ich auch noch eine Studie anführen, wenn das okay ist.

I: Ja, klar. Studien sind hier immer willkommen.

B: Dann haben wir nämlich beides: Das praktische Tool, aber auch das Verständnis weshalb das so wichtig ist. Es ist eine spannende und spezielle Studie. Man hat eine Gruppe in zwei Gruppen eingeteilt. In eine Gruppe mit mehr Dankbarkeit im Leben, die das also mehr praktiziert oder es von den Eltern lernte. Und in eine Gruppe, die weniger Dankbarkeit im Leben hat. Dann hat man die beiden Gruppen, natürlich vor Corona, mit einem Erkältungsvirus angesteckt. Ich wusste gar nicht, dass das überhaupt erlaubt ist. Heute ist es sicher nicht mehr erlaubt. Jedenfalls hat man beide Gruppen mit einem Erkältungsvirus angesteckt. Was ist passiert? Die Leute mit mehr Dankbarkeit im Leben haben sich viel weniger angesteckt als die Menschen, die weniger Dankbarkeit haben. Je mehr Dankbarkeit im Leben ist, desto weniger haben sich die Leute angesteckt. Dankbarkeit stärkt also auch das Immunsystem. Ich finde das so spannend. Ist krass, oder?

I: Das ist wirklich spannend. Es gibt ja sehr viele Nachweise, dass positives Denken gut für die Krankheitsheilung ist. Wenn man im Krankenhaus liegt und aufs Gründe blicken kann, ist die Heilung ja manchmal schon besser, als wenn man nur auf die graue Wand vor sich sehen kann. Ich finde das sehr spannend. Da spielen ja so viele Faktoren mit rein. Ich glaube auch, dass ein positives Denken, oder in dem Fall ein Optimismus, bestimmt die Heilung begünstigen kann. Das Zusammenspiel zwischen Psyche und Körper ist ja total komplex. Da gibt es bestimmt noch viel zu erforschen. Einiges wissen wir ja natürlich auch schon. Man spricht ja auch vom Darm als zweites Gehirn. Wenn man nicht gestresst und in einer grundsätzlich positiven Verfassung ist, dann wirkt sich das ja auch auf viele unserer Funktionen sehr positiv aus. Auch auf unsere Lebenserwartung. Daher bin ich mir sehr sicher, dass wir da noch viel Weiteres rausfinden werden. Ich finde super, dass wir auch heute zum Beispiel über ein Thema sprechen, das auch noch zu den neueren Forschungsgebieten gehört, und trotzdem so unglaublich wichtig ist.

B: Genau. Was ich genannt habe sind nur zwei Tools von sehr vielen. Man darf, wie du es jetzt machst, auch bei der Dankbarkeit arbeiten. Ich mache es jetzt auch immer noch. Und man darf einfach mal daran bleiben. Es kann ja auch sehr reizvoll sein die anderen Tools noch kennenzulernen, aber einfach den Fokus zu haben und an etwas zu arbeiten. Dann erst weiter gehen und schauen, was im Leben verändert wird. Wie du schon sagst: Wir haben einen ganz großen Teil unseres eigenen Lebens und des inneren Glücks selbst in der Hand. Resilienz gibt uns einen Zugang zu vielen Tools wie wir unser Leben selbst in die Hand nehmen und Schmied oder Schmiedin unseres eigenen Glücks werden zu können.

I: Wir haben ja einiges zum Thema Schutzfaktoren gehört, auch wenn es da natürlich noch wesentlich mehr gibt. Aber was wären denn Risikofaktoren? Gibt es sowas? Gibt es was, was ich vermeiden sollte?

B: Ich komme nochmal auf Emmy Warner zurück. Sie ist wirklich die Mutter der Resilienzforschung. Sie hat zum Beispiel über 700 Kinder in Hawaii langjährig untersucht und begleitet. Ein Drittel dieser Kinder hatten solche Risikofaktoren in ihren Leben. Beispielsweise sind sie mit Eltern aufgewachsen die drogensüchtig sind, oder die alkoholabhängig waren, oder unter chronischer Armut litten. Solche Dinge sind Risikofaktoren in unserem Leben. Das ist jetzt die Studie von Emmy Warner. Sie hat aber auch herausgefunden, dass Kinder, obwohl sie mit so einem schweren Schicksal auf die Welt gekommen sind, trotzdem zu glücklichen und erfolgreichen Menschen werden können. Bei einem Drittel der Kinder war das der Fall. Sie hat untersucht, wieso das so ist. Das waren dann eben resiliente Kinder. Jetzt bin ich etwas abgeschweift. Genau das, was ich gerade aufgezählt habe, diese Faktoren, mit denen die Faktoren aufwuchsen, sind solche Risikofaktoren. Aber auch das soziale Umfeld kann sonst ein Risikofaktor sein. Wenn ich mich beispielsweise mit Menschen umgebe, die mir nicht guttun. Oder auch in der Arbeitswelt: Wenn man sich da mit Quantitativem oder Qualitativem überfordert. Quantitativ eben viel zu viel, oder qualitativ, wenn ich Arbeit habe, die mich viel zu sehr überfordert. Das wären auch solche Risikofaktoren.

I: Die Theorie ist ja das eine, aber wie kann ich denn schaffen das wirklich im Alltag umzusetzen? Hast du da einen Tipp?

B: Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich das rüberbringen soll. Ich musste zuerst in ein Burnout laufen, bevor ich das verstanden habe. Natürlich ist es echt wichtig. Wenn es Hörerinnen oder Hörer gibt, die merken, dass ihre Verdauung nicht mehr so gut ist, oder, dass sie viel Kopfschmerzen haben, oder, dass sie sich oft müde fühlen, oder, dass die Freude im Leben irgendwie entschwunden ist. Wenn man merkt, dass wir nicht mehr glücklich sind, wir können nicht erwarten, dass wir immer glücklich sind, aber wenn wir merken, dass wir nicht mehr gesund und glücklich sind, dann können oder müssen wir ein Auge darauf werfen und schauen, was den größten Einfluss darauf haben könnte. Was da helfen kann sind außenstehende neutrale Personen, wie beispielsweise eine psychologische Betreuung, eine therapeutische Betreuung, ein Coach. Aber auch das nahe Umfeld, welches nur das Beste für einen möchte. Die können einem von außen einen Spiegel geben. Wir haben nur dieses eine Leben. Deshalb ist wichtig, dass wir dahinter bleiben. Unsere Gesundheit ist das höchste Gut was wir haben. Wenn wir nicht gesund sind, dann macht einfach alles keinen Spaß mehr. Es muss nicht immer in einem Burnout enden.

I: Dem kann ich mich nur anschließen. Gibt es noch etwas, was du unseren Hörerinnen und Hörern mitgeben möchtest liebe Jaqueline?

B: Ja, tatsächlich. Ich finde es sehr wichtig Resilienz aufzubauen und zu schauen, wo ich mein Leben in die Hand nehmen kann. Wo kann ich etwas so ändern, dass es meinem Leben guttun könnte? Wo könnte ich stärker sein? Was würde mir wirklich helfen? Trotzdem aber diese Sicht: „Ich bin gut genug, so wie ich jetzt bin!“ Nur weil man irgendwo nicht richtig reagiert hat oder schwächer ist, heißt das nicht, dass man schlecht ist. Mit Resilienz will ich nicht sagen, dass wir immer besser werden müssen. Wir sind schon gut, wie wir sind. wir dürfen trotzdem an uns arbeiten. Das ist kein Gegensatz. Das möchte ich gerne vereinen. Wir können gerne an uns weiterarbeiten. Das machen wir aber nicht, weil wir nicht gut genug sind, sondern, weil wir uns einfach selbst mögen.

I: Das war unsere Folge zum Thema Resilienz. Ich hoffe, dass ihr auch etwas für euch daraus mitnehmen konntet, um ein bisschen resilienter durch den Alltag zu kommen und es in Zukunft nicht mehr nur als Modewort betrachtet. Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Eine Folge haben wir noch für euch. Im Dezember wird sich alles um das Thema Essstörungen drehen. Wenn du das nicht verpassen möchtest, dann abonniere doch unseren Kanal auf einem Player deiner Wahl und höre dann, wenn es weiter geht, im Dezember wieder rein. Bis dann.

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