Selbstliebe ist Vielfalt feiern

ILKA: Hallo und herzlich willkommen zu „Von Achtsam bis Zuckerfrei – dem Gesundheitspodcast der Audi-BKK“. Dieser widmet sich in jeder Staffel ganz ausgiebig einem Thema. Hier Selbstliebe.

ILKA: Liebe Hörerinnen und Hörer, wir haben den Linus heute zu Gast und ich freue mich ganz, ganz dolle, dass du da bist. Linus stell dich doch einfach mal ganz kurz selber vor.

LINUS: Ja gerne, ich freue mich erst mal auch, dass ich mit dabei sein kann und zu mir, ich bin Linus, ich bin 34 Jahre alt, ich bin studierter Germanist, aber arbeite seit einiger Zeit im Buchhandel und habe die letzten Monate dafür genutzt, mein eigenes Buch fertigzustellen, was im August erscheinen wird und darin schreibe ich immer meine eigene Geschichte, also quasi meine Autobiografie, mit 34 Jahren vielleicht ein bisschen früh, aber ich habe mich im Oktober 2017 als trans Mann geoutet und darüber habe ich ein Buch geschrieben und für all die, die vielleicht jetzt nicht wissen, was ein trans Mann ist. Das bedeutet quasi, mir wurde bei der Geburt das falsche Geschlecht zugewiesen, also bei der Geburt wurde mir das weibliche Geschlecht zugewiesen und ein weiblicher Name gegeben. Aber ich habe irgendwann im Laufe meines Lebens festgestellt, dass ich ein Mann bin und mich dann wie gesagt im Oktober 2017 als Mann geoutet und lebe seitdem als Mann. Und ja, darüber habe ich ein Buch geschrieben und bin schon sehr gespannt, wie das angenommen wird.

ILKA: Ja, da bin ich auf jeden Fall auch total gespannt. Aber ich bin ganz sicher, dass es eine große Bereicherung für den Buchmarkt sein wird. Wie war das denn für dich? In dieser ersten Staffel geht es ja so um dieses Thema Selbstliebe. Also vielleicht zunächst, möchtest du, dass wir in dieser Folge von dem Begriff Selbstliebe reden oder hast du einen anderen Begriff, den du bevorzugst. Möchtest du lieber von Akzeptanz, Annahme, sich selbst mögen reden?

LINUS: Also ich mag eigentlich alle Begriffe. Aber ich finde so etwas wie Selbstakzeptanz ist vielleicht für mich so am zutreffendsten, weil ich wahrscheinlich glaube ich noch gar nicht so wirklich bei der Selbstliebe bin, aber bei der Selbstakzeptanz.

ILKA: Das sind doch aber schöne ehrliche Worte und das zeigt ja auch wieder mal, dass es nicht so ist, dass man nur weil man sich schon weiterentwickelt hat direkt wie komplett liebt. Das ist eine Entwicklung, und ich glaube, die ist auch niemals abgeschlossen. Wie kam es denn dazu, dass du dich mehr selbst akzeptierst und jetzt auf dem Weg zu der Selbstliebe bist? Würdest du sagen, das kam mit deinem Outing oder kam das schon davor?

LINUS: Nein, ich würde sagen, es kam wirklich so mit dem Moment, als ich mein Coming-out hatte. Ich hatte vorher große Schwierigkeiten mit mir, mit meinem Körper, mit meinem Aussehen. Ich hatte wirklich so einfach das Gefühl, dass ich nicht liebenswert bin oder so nicht geliebt werden kann, wie ich aussehe oder wie ich bin und als ich dann mein Coming-out hatte, hat sich das schon wirklich geändert, irgendwie als wäre so ein Schalter umgelegt worden. Also ich habe mich dann nicht irgendwie von einer Sekunde auf die andere plötzlich akzeptiert oder so, also ich war ja immer noch derselbe Mensch mit denselben Körperteilen und demselben Aussehen. Aber ich habe mich irgendwie ganz anders plötzlich gefühlt. Also ich hatte einen neuen Namen, ich hatte ein neues Pronomen, ich habe dann auch einiger Zeit ja angefangen Hormone zu nehmen, also Testosteron und das hat zum Beispiel dazu geführt, dass ich eine tiefere Stimme bekommen habe. Das hat dazu geführt, dass ich ein bisschen Haare im Gesicht bekommen habe, das hat dazu geführt, dass sich so das Körperfett quasi verteilt hat. Also ich habe ein bisschen weniger Brust bekommen und dafür breitere Schultern und ich habe auch zum Beispiel, ich bin zum ersten Mal, das sind jetzt ja auch alles so medizinische Dinge, aber ich bin auch zum Beispiel zum ersten Mal damals zum Friseur gegangen und habe mir wirklich irgendwie überlegt, so, wie möchte ich eigentlich aussehen. Was möchte ich für eine Frisur? Ich habe irgendwie früher nie gerne in den Spiegel geguckt. Ich habe nie Selfies von mir gemacht. Ich wusste auch gar nicht so, was gefällt mir eigentlich, was wünsche ich mir. Und ich habe dann wirklich so ganz klassisch so im Bett gelegen und nach Herrenfrisuren gegoogelt und bin dann mit dem Handy zum Friseur und habe der Friseurin dann das Handy gezeigt und gesagt, so was hätte ich gerne. Und als ich dann da rausgegangen bin, also ich hatte zum ersten Mal einen Undercut und die eine Seite vom Kopf war so ein bisschen rasiert, habe ich wie so ein neuer Mensch ausgesehen. Und dann bin ich in die Herrenabteilung und habe dort zum ersten Mal überlegt, so, was möchte ich eigentlich gerne tragen, was ist mein Stil, wo drin fühle ich mich wohl. Ich muss nicht nur irgendwie etwas anziehen, was wie so ein Sack an mir hängt, sondern ich kann auch herausfinden, was mir eigentlich gefällt und kann da auch experimentieren und ausprobieren. Und das hat dann irgendwie so Stück für Stück dazu geführt, dass ich irgendwie gedacht habe, so schlecht bin ich eigentlich gar nicht oder so verkehrt oder-.

ILKA: Ja absolut nicht. Also wirklich nicht. Hast du das Gefühl, dass du dir diese Freiheit vorher verwehrt hast oder war es dein Umfeld?

LINUS: Nein, ich glaube, ich habe die Freiheit mir selbst verwehrt. Also ich habe mir gar nicht die Chance gegeben, darüber nachzudenken, was ich mir wünsche, was meine Bedürfnisse sind, womit ich mich wohlfühle, sondern ich habe irgendwie, weiß ich nicht, ich war irgendwie wirklich so 31 Jahre lang quasi gar nicht wirklich da. Also ich habe einfach wie so eine Hülle irgendwie gelebt und meinen Alltag absolviert. Aber ich habe irgendwie gar nicht mir die Zeit genommen, darüber nachzudenken, woran ich Spaß habe, was ich tragen möchte, was ich für eine Haarfrisur haben möchte. Das ist jetzt irgendwie nicht so, dass jemand gesagt hat, ja, aber du darfst nicht in die Herrenabteilung gehen oder so, sondern das habe ich mir, ich habe mir gar nicht selbst diese Möglichkeit gegeben, mich überhaupt auszuprobieren.

ILKA: Wenn jemand das jetzt hört, der vielleicht ähnlich fühlt, was würdest du sagen, wie schafft man es denn dann, rauszukommen aus dieser Art Lethargie. Ich meine, 31 Jahre lang, was war denn so ein Auslöser, dass du gesagt hast, jetzt setze ich mich aber damit auseinander, was ich wirklich fühle?

LINUS: Ich habe einfach glaube ich, das war so der ganze Sommer im Jahr 2017, dass ich irgendwie zum ersten Mal auf den Gedanken gekommen bin, ich kann quasi nicht noch weitere 31 Jahre so leben. Also ich bin einfach nicht, ich bin nicht glücklich so und ich kann so weiter machen, aber es wird, ich werde nicht glücklicher. Und das war wirklich einfach so ein Moment, ich sage das manchmal, dass das so quasi mein Coming-out, mein Leben, ein davor und ein danach geteilt hat. Und ich bin einfach irgendwann so an den Punkt in meinem Leben gekommen, wo ich wusste, ich kann so nicht weitermachen. Aber es ist echt schwer irgendwie, ich kann jetzt kein Selbsthilfebuch schreiben und sagen, macht eins, zwei, drei, vier und dann kommt ihr auch irgendwie an diesen Punkt und auf der anderen Seite raus. Aber ich habe zum Beispiel kürzlich mit einem Freund gesprochen, der schwere Depressionen hatte und der irgendwie quasi das, was ich erlebt habe, sehr auf sein eigenes Leben übertragen konnte, weil er auch irgendwie das Gefühl hatte, dass er jahrelang gelitten hat, ohne irgendwie zu wissen, wie er etwas ändern kann und dann irgendwann an so einen Punkt kam, wo er gedacht hat, er kann jetzt so nicht weitermachen, er muss sich Hilfe suchen. Oder er muss irgendwie etwas ändern an seinem Leben, sonst ja weiß er nicht, wie es weitergeht. Und ich glaube, das lässt sich wahrscheinlich so auf viele Lebenssituationen übertragen und was man dann irgendwie genau machen muss. Ich habe damals wirklich irgendwie zum allerersten Mal mit einem Freund damals darüber gesprochen, was mich beschäftigt, oder dass ich mich mit meinem Körper nicht wohlfühle, oder dass ich mir etwas anderes wünsche und das irgendwie quasi einmal auszusprechen und jemanden als Gegenüber zu haben, der sagt, ich glaube dir und ich glaube, wir finden eine Lösung oder wir können etwas dafür tun, dass es dir besser geht, das hat mir total geholfen. Also das ist irgendwie glaube ich auch etwas, was ich immer raten kann, dass glaube ich manchmal, wenn man Menschen um sich rum hat, dann sind die manchmal verständnisvoller als man vielleicht denkt.

ILKA: Das auf jeden Fall. Also ich erkenne mich auch in so vielem von dem, was du erzählst wieder, also erstens auch, dass man wirklich oft gar keine konkreten Tipps geben kann, weil man hat ja einfach sein eigenes Leben so erlebt und hat ja nicht irgendwie so einen Fünf-Schritte-Plan befolgt oder so. Deswegen lässt sich das halt auch sehr schwer als konkreten Tipp weitergeben. Und auch, was du eben noch gesagt hast, also wirklich ich glaube das ist auch, dass viele, viele Menschen in verschiedensten Situationen das verstehen. Ich glaube, das haben auch Menschen, die zum Beispiel ein Burnout haben oder so, dass die irgendwann merken, so kann es einfach nicht weitergehen und dann ist es aber super, wenn man dann auch auf ein verständnisvolles Umfeld trifft, was glaube ich auch, wie du sagst, öfter der Fall ist als man denkt. Ich glaube, man ist sein größter eigener Kritiker und die anderen sind gar nicht so schlimm.

LINUS: Ja, das glaube ich auch. Also auch viele Ängste, die ich hatte, sind dann nie eingetreten oder so. Also es ist nicht irgendwie, mein Leben ist nicht immer einfach, aber mein Leben ist glücklicher und erfüllter seit meinem Coming-out. Und ich glaube, deshalb würde ich einfach jedem Menschen raten, dass es sich irgendwie lohnt, noch mal darüber nachzudenken, bin ich glücklich, bin ich zufrieden, was kann ich ändern an meinem Leben, um glücklicher und zufriedener zu sein und dann irgendwie das in Angriff zu nehmen, gucken, was sich dadurch vielleicht irgendwie verbessert, auch wenn es schwer ist.

ILKA: Ja genau. Und auch nicht irgendwie, dass man das so wegdrückt. Ich glaube, viele haben einfach so einen beschäftigten Alltag, Hetze so von einem Termin zum nächsten quasi und nehmen sich nie die Zeit, mal in sich hineinzuhorchen, bin ich wirklich glücklich, lebe ich mein Leben, so wie ich es leben möchte, oder ist das eigentlich alles nur eine Routine, die sich jeden Tag wiederholt, das ist glaube ich auch wichtig, wirklich mal innezuhalten und zu schauen, ist es das Leben, was ich mir so für mich wünsche und was ich auch die nächsten 30 Jahre so weiterleben möchte oder ist es jetzt Zeit, was zu ändern.

LINUS: Ja, also viele Journalisten oder Medien beschreiben Trans als irgendwie schicksalshaften Leidensweg und für mich ist das gar nicht so. Also ich empfinde das gar nicht irgendwie als schweres Schicksal, sondern eher auch als ein gewisses Privileg, dass ich irgendwie mir die Möglichkeit erarbeitet habe, darüber nachzudenken, woran ich Freude habe und was ich gerne verbessern oder verändern möchte, um noch mehr Freude zu haben. Also zum Beispiel möchte ich gerne einen Bart haben, möchte ich gerne kurze Haare haben, was für Kleidung möchte ich tragen, mit wem möchte ich zusammen sein. Das sind ja alles so Fragen, über die glaube ich viele Menschen gar nicht nachdenken, weil er müsste daraus, man müsste dann ja auch irgendwie eine Konsequenz daraus ziehen, wenn man eben nicht glücklich ist und etwas ändern. Und das ist glaube ich auch etwas, was vielen häufig Angst macht irgendwie darüber nachzudenken, fühle ich mich eigentlich als Frau oder möchte ich etwas anderes sein oder was fühle ich eigentlich überhaupt in Bezug auf meine Identität oder mein Geschlecht oder meine Sexualität. Und ich glaube, das kann einfach nur gewinnbringend sein, darüber nachzudenken.

ILKA: Das kann ich total verstehen. Ich sehe mittlerweile meine Gesichtsspalte häufig sogar als Geschenk, weil sie mich dazu gebracht hat, mir relativ früh Gedanken zu machen über Themen, über die andere vielleicht nicht nachgedacht haben, wo ich dann auch ganz bewusst gucke, wo wird es dem Menschen schwergemacht, wo sind wir noch nicht vielfältig genug.

LINUS: Ja, das auf jeden Fall. Also ich glaube, dass das ja auch irgendwie also, dass diese irgendwie Geschlechtervorstellung, die wir haben in unserer Gesellschaft sich ja glaube ich sich ja quasi durch alle ja alltäglichen Begegnungen ziehen quasi. Also ich sehe das ja schon irgendwie, wie Kinder aufwachsen irgendwie als Mädchen und als Junge und wie die quasi in so Vorstellungen und Rollenbilder gepresst werden und wie auch durch diese durch irgendwie Bücher, die quasi speziell für Mädchen verkauft werden oder irgendwie, was habe ich gestern gesehen, Frauentee und Herrentee und das eine Kindershampoo für Jungens und das andere Kindershampoo für Mädchen und das eine ist rosa und das andere ist blau. Und ich glaube, es gibt halt irgendwie zwischen rosa und blau noch so einen riesigen Raum, irgendwie so ein Dazwischen und ich wünschte mir einfach, dass wir diesen Raum dazwischen öffnen und dass Mädchen auch das blaue Shampoo benutzen können und dass Mädchen auch Fußball spielen können und dass Mädchen kurze Haare haben dürfen und sich für Naturwissenschaften interessieren und Jungen auch lange Haare haben, Ballett tanzen und Kleider tragen. Und ich glaube, wenn wir irgendwann mal so da hinkommen, dass nicht alle ausrasten, weil ein Junge im Kleid rumläuft, dass wir dann auch vielen Menschen, die vielleicht eben nicht halt ganz klar auf einer oder auf der anderen Seite stehen, dass die eben halt deutlich erleichtern würden, weil dann das einfach irgendwann normal ist, dass wir einfach nicht mehr quasi das tun, was so irgendwie uns vorgeschrieben wird, sondern einfach das tun, was uns gefällt. Glaube auch halt, dass es zum Beispiel für Frauen halt mittlerweile deutlich akzeptierter ist zu sagen, ich ziehe jetzt zum Beispiel eine Hose an oder ich habe kurze Haare oder ich trete dem Fußballverein bei. Das ist ja irgendwie schon würde ich sagen, sorgt jetzt nicht mehr so für das ganz große Erstaunen, aber ich glaube, dass es Jungens und Männer deutlich schwieriger haben, irgendwie ihre Rolle zu finden, weil ein Junge, der sagt irgendwie, er möchte im Kleid in die Schule gehen oder ein Junge, der sagt, er schließt sich jetzt dem Ballettunterricht an, sorgt glaube ich immer noch für mehr Erstaunen und auch für mehr vielleicht Mobbing und Anfeindung auch, vielleicht auch zum Beispiel von den Väterpersonen, die selber auch nie die Chance hatten, vielleicht mal auszuprobieren, ob ihnen andere Dinge Spaß machen als jetzt irgendwie den Bagger fahren, und gegen einen Ball treten.

ILKA: Ich meine, ich lese ja auch total viele Kinderbücher und so. Und wenn mir welche begegnen, die schon mal aus den gängigen Mustern ausbrechen oder aus so einem Alltag, dann ist es wirklich meistens so rum, total tapfere Mädchen oder so. Aber so verletzte Jungs, also ich will nicht sagen, dass es da gar nichts gibt, aber es ist schon deutlich weniger und da muss es noch viel, viel mehr geben. Also ich glaube, dass es zum Beispiel auch Menschen, die schwul sind, wesentlich schwieriger haben als Menschen die lesbisch sind.

LINUS: Ja, das glaube ich auch. Also ich glaube auch überhaupt, dass es da irgendwie, also dass sich natürlich schon etwas verändert hat in unserer Gesellschaft, aber das ist, das ist immer noch ein weiter Weg ist, bis das irgendwie ein normaler Bestandteil vieler Leben wird und das merke ich auch bei dem Thema Kinderbücher häufig so, dass ich mir halt auch irgendwann wünschen würde, dass Kinder, die zum Beispiel irgendwie zwei Väter haben, dass das irgendwann so ein normaler Bestandteil von Kinderbüchern wird und nicht immer, also im Moment haben wir das schon in einigen Büchern, aber häufig so als Problembücher. Also dass quasi erzählt wird, so kann es auch sein. Aber ich wünsche mir, dass ich einfach eine ganz normale Kindergeschichte lesen und es halt dann im Nebensatz erwähnt wird, das Kind hat übrigens zwei Väter oder zwei Mütter oder es ist aus einer Samenspende entstanden oder wurde adoptiert. Also das sind ja im Moment alles noch Dinge, die quasi von der Norm abweichen und deshalb halt in so einer extra Sparte behandelt werden.

ILKA: Du bist ja auch ein sehr medienaffiner Mensch, was wären denn so deine Idealvorstellungen davon, wie könnte man Medien so gestalten, dass sie nicht diese Stereotypen fördern und ein offenes Weltbild vermitteln?

LINUS: Was zum Beispiel schon so ein erster Schritt wäre ist, wenn man zum Beispiel Familien zeigt jetzt in Werbung oder in Werbung in Zeitschriften zum Beispiel, also jetzt bewegte Werbung oder eben auch einfach in so einer Art Plakat, das ist zum Beispiel halt dann ein Schritt in die richtige Richtung wäre, wenn man nicht nur weiße Standardfamilien zeigt, also Frau, Mann und ein Kind, sondern zum Beispiel auch mal zwei Männer oder zwei Frauen oder einfach dadurch, so ein bisschen irgendwie Vielfalt abbildet im öffentlichen Raum. Das wäre glaube ich, das passiert immer noch viel zu selten und wäre glaube ich schon so ein erster richtiger Schritt.

ILKA: Das sage ich auch immer, weil unsere Stereotypen werden ja einfach dadurch gebildet, was wir halt viel sehen und was wir selten sehen ist für uns halt erst mal automatisch anders. Man kann es jetzt antrainieren, dass man offen durch die Welt geht und so, aber so je öfter man etwas sieht, desto normaler ist es natürlich für einen. Deswegen ist es total wichtig, dass man einfach zeigt, wie vielfältig wir sind und ich finde es auch immer sehr schön, die Vielfalt etwas bereichernder darzustellen. Weil ganz oft, wenn ich irgendwo sehe, dann wird es zwar abgebildet, wie vielfältig wir alle sind, aber da ist es auch wieder eher so fast schon wie so ein problembehafteter Punkt, dass man sagt, die haben es immer noch schwer oder so. Aber es soll ja auch einfach mal sein, dass man zeigt, schaut mal wie lebenswert viele Leben auch sind, von dem man es auf den ersten Blick einfach gar nicht denkt.

LINUS: Ja das finde ich auch und ich habe zum Beispiel jetzt, das ist jetzt keine Werbung, aber ich habe kürzlich eine Serie geguckt, wo eine Transfrau vorkommt und es wird quasi überhaupt nicht thematisiert, dass die trans ist, sondern der Zuschauer, die Zuschauerin erfährt es nur, weil sie sich in einer Szene quasi eine Spritze setzt und man daraus schließen kann, sie spritzt sich gerade ihre Hormone. Aber es ist quasi, es steht nicht im Zentrum als Problem, sondern sie ist einfach irgendwie ein normaler Bestandteil einer Serie und so etwas finde ich, also da gucke ich dann hin und denke, ja, so wünsche ich mir das. Ich möchte quasi nicht immer nur trans Menschen als Problem oder irgendwie am Ende sterben sie vielleicht noch oder so, sondern irgendwie so als ja normaler Bestandteil.

ILKA: Ja total. Was hältst du von so Maßnahmen wie der Frauenquote, findest du so etwas sinnvoll?

LINUS: Ich meine, im Grunde gibt es ja noch gar nicht wirklich eine Frauenquote. Also eine, der man folgt. Ich finde aber so das Konzept Frauenquote sinnvoll, um dafür ein Bewusstsein zu schaffen, dass in vielen Berufen zu wenig Frauen arbeiten. Also ich glaube, man braucht erst mal sein Instrument oder sein Schlagwort wie Frauenquote, um dieses Thema in den Medien oder in Diskussionsrunden in Talkshows zu platzieren und darüber ins Gespräch zu kommen und ich würde natürlich so aus meiner persönlichen Perspektive noch sagen, eine Frauenquote reicht quasi, also unsere Gesellschaft ist nicht vielfältiger, wenn wir quasi gleich viele Männer und Frauen irgendwo arbeiten haben, sondern da frage ich auch mich so quasi, wo sind die trans Menschen, wo sind nichtbinäre Menschen, was ist mit schwarzen Menschen, was ist mit behinderten Menschen und so weiter und so fort. Also Diversität hört ja quasi nicht auf, wenn wir irgendwann 50 Prozent Frauen eingestellt haben. Und von daher finde ich halt Frauenquote so als Begriff, als Konzept, ein guter Ansatz für dafür Bewusstsein zu schaffen und jetzt nicht nur auch, nicht nur ein Job, sondern eben auch zum Beispiel in Talkshows, dass wir da nicht immer nur vier Männer sitzen haben, die ein Thema besprechen, sondern vielleicht auch mal eine Frau.

ILKA: Ja das stimmt. Ich finde es auch immer Klasse, wenn Menschen da mit gutem Beispiel vorangehen, dass sie zum Beispiel von sich aus schon sagen, also ich bin ja mit dem Raul Krauthausen befreundet und der sagt zum Beispiel, er tritt nicht mehr als Redner auf, wenn nur Männer eingeladen sind, sondern er sagt, so was boykottiert er und das finde ich so Klasse. Das ist richtig cool, ganz tolle Maßnahme, um die Betreiber darauf aufmerksam zu machen, dass sie doch einfach mal für Vielfalt sorgen könnten und die Frauenquote war bei mir natürlich auch gerade mal ein Beispiel. Ich meine natürlich damit generell alle Arten von Quoten und ich glaube auch, sie sind eine ganz gute Übergangslösung, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen und dann würde ich aber denken, dass sie dann irgendwann einfach obsolet werden. Weil die Menschen dann ja auch, wenn sie es vielleicht, weil es so in einem Bewusstsein drin ist, dass man dann von sich aus schon sagt, nein die brauche ich gar nicht mehr, aber es würde nie wieder auf den alten Zustand zurückfallen, weil man jetzt ja weiß, dass das einfach ein viel bereichernder Zustand ist, wenn wir vielfältig vertreten sind. Ich glaube auch, dass da generell die Arbeitsergebnisse auch viel besser wären, wenn man vielfältige Meinungen und Lebenserfahrungen in seinen Teams hat.

LINUS: Ja, das glaube ich auch. Also ich hoffe auch, dass wir da als Gesellschaft und einfach Stück für Stück immer noch weiterentwickeln. Und ich glaube auch, dass was du sagst, auch stimmt, dass jeder da auch selbst ein Stück weit Verantwortung hat, wenn man zum Beispiel irgendwie auf eine Konferenz eingeladen wird oder eben in einer Talkshow oder zu einer Veranstaltung, dass man dann eben auch zuguckt, wenn ich zum Beispiel sind außer mir nur Männer eingeladen und kann ich meinen Cut vielleicht an jemand anderen abgeben oder so. Ich glaube, dass es da auch immer gut ist, irgendwie mitzudenken und auch selber irgendwie. Also wir können auch selber das auch ein bisschen fördern und fordern.

ILKA: Auch glaube ich, indem man, wenn man dann doch mit einen Stereotypen in einem Vortrag konfrontiert wird, dass man dann auch ehrlich sagt, dass man das nicht so sieht. Also ich kenne das zum Beispiel aus meiner Maschinenbauzeit, dass mir oft so was gesagt wurde wie, wow, war das nicht unglaublich hart als Frau Maschinenbau zu studieren oder so. Dann habe ich immer gesagt, na ja ich habe das gleiche Gehirn wie ein Mann, warum sollte es härter sein. Also dann haben sie halt auch ganz oft gespielt, ja eigentlich hast du recht, natürlich. Und das finde ich dann immer schön zu merken, dass die Leute da vielleicht auch rauskommen aus ihren Vorurteilen.

LINUS: Ja ich glaube viele sind einfach auch wirklich stereotyp und Vorurteile, die sich dann irgendwie so festgesetzt haben in den Köpfen von Menschen.

ILKA: Ja richtig. (Lachen) Ach das ist total cool, ich könnte da stundenlang mit dir reden, aber langsam kommen wir zum Ende. Hast du vielleicht Buchempfehlungen, da frage ich auch genau den Richtigen, was würdest du empfehlen, wenn man sich mehr allgemein über Vielfalt informieren möchte oder auch vielleicht über das Transthema?

LINUS: Also am besten natürlich dann ab August in meinem eigenen Buch, das bei Rowohlt erscheinen wird. Ansonsten blogge ich auch über Bücher und stelle dort immer wieder gerne Kinderbücher vor, die so ein bisschen diese Geschlechtervielfalt etwas mehr und besser abbilden und zum Beispiel jetzt speziell bei dem Thema Trans kann ich immer sehr gerne das Kinderbuch Teddy Tilly empfehlen über eine Teddybärin, die quasi beschließt, dass sie nicht mehr ihren eigenen Namen haben möchte, sondern jetzt Tilly heißen möchte und ganz große Angst davor hat, das ihrem besten Freund zu erzählen, weil sie Angst davor hat und dass der nicht mehr mit ihr spielen möchte und sie nicht mehr lieb hat und dann versteht, ach man kann ja immer noch gut mit ihr spielen und sie wird immer noch geliebt von allen und das finde ich, ist so ein toller erster Schritt, um auch so ein bisschen irgendwie Kinder auch an eine andere Lebensrealität heranzuführen und irgendwie zu zeigen, dass das ein normaler Bestandteil von unserer Welt und ja das ist so mein großer Tipp immer.

ILKA: Das klingt richtig schön. Also werde ich mir auf jeden Fall auch mal angucken. Ich lese ja super viele Kinderbücher, von daher vielen Dank für die Empfehlung. Hast du noch irgendwas, was du den Hörern und Hörerinnen zum Abschluss mitgeben möchtest?

LINUS: Ich glaube nur, ich würde gerne einfach nur Mut machen, dass wenn ich jetzt so auf mich selbst zurückgucke, vor drei Jahren mochte ich keine Selfies von mir machen, ich mochte mich nicht im Spiegel angucken, ich mochte nichts an mir und jetzt drei Jahre später bin ich an einem Punkt, wo ich mich deutlich besser akzeptieren kann und ich glaube, dass wir alle irgendwie die Chance haben, mit der Zeit besser annehmen und akzeptieren zu können. Das heißt ja nicht immer gleich, dass man sich lieben muss, aber ich glaube, man kann oder ich bin einfach, ja ich habe gelernt, mich anzunehmen und ich wünsche allen Menschen den Mut und die Chance, sich auch lernen zu können sich anzunehmen.

ILKA: Das war das schöne Interview mit Linus und ich möchte euch noch einmal ein bisschen zusammenfassen, was für mich so die wichtigsten Punkte waren. Als erstes noch mal der Hinweis, natürlich hat Linus als trans Mann gesprochen und das Thema der Folge ist Vielfalt. Ich konnte ja ein längeres Interview führen, wollte nicht mit verschiedenen Menschen sprechen, deswegen haben wir den Fokus auch nicht so stark auf das Transthema gelegt, also wir haben ja jetzt zum Beispiel gar nicht darüber gesprochen, wie die ganze Geschlechtsangleichung geschieht oder so. Das haben wir bewusst ausgeklammert, weil es darum nicht gehen sollte. Es sollte darum gehen, wie man vielleicht manchmal seine Identität ein bisschen finden muss, wie man ja strugglet, sich selbst zu akzeptieren und irgendwann erkennt, dass unsere Vielfalt völlig normal und wunderbar ist. Und dafür hatten wir Linus als Gast, nicht um uns über trans Männer oder trans Frauen aufzuklären. Was alle Menschen sehr gut mitnehmen können aus diesem Interview ist erstens wirklich aktiv bei sich selbst zu hinterfragen, ob man glücklich so ist wie man lebt und ob man das Leben lebt, das man möchte oder ob man nur eine Art Schauspiel spielt und ein Leben aufrecht erhält, weil man denkt, dass andere das vielleicht von einem erwarten oder dass man so sein Leben zu leben hat. Diese Folge soll Mut machen, dass man sich wirklich entfalten kann und dass man darauf horcht, wie es einem geht oder ob man glücklich ist. Und als Punkt für die anderen, also wenn man jetzt nicht auf sich selbst das bezieht, sondern schaut, was kann ich tun, damit andere Menschen sich frei entfalten können. Es ist natürlich wichtig, dass man aufhört, in Stereotypen und Schubladen zu denken, was natürlich leichter gesagt als getan, das ist mir bewusst, aber man kann damit beginnen, indem man einfach mal zuhört, indem man den verschiedensten Menschen zuhört, wenn sie über sich und ihre Lebenssituation berichten, wie jetzt zum Beispiel Linus oder man könnte zum Beispiel auch mit jemandem reden, der eine Behinderung hat und probieren zu verstehen, was haben diese Menschen für Probleme, die man selber vielleicht hat, was haben sie auch Schönes im Leben, was ich nicht habe. Denn auch eine ganz wichtige Erkenntnis, dass ein Leben, nur weil es anders ist, natürlich nicht weniger lebenswert ist. Also manchmal hat man glaube ich so eine Vorstellung davon, dass eine bestimmte Art zu leben immer mit einem gewissen Leiden verknüpft ist, was Linus ja auch gesagt hat, dass die Medien zum Beispiel ein trans Mann zu sein, immer ein bisschen als Qual, als Leidensweg darstellen, was er gar nicht so empfunden hat. Und wenn ihr euch dann mit diesen vielfältigen Formen zu sein beschäftigt, wird euch das auch helfen, denn ihr erkennt, dass es noch viel mehr Menschen gibt, die von diesem manchmal gezeichneten Idealbild eines Menschen abweichen. Und schon merkt ihr wiederum, es gibt gar nicht dieses eine Idealbild. Wir sind verdammt unterschiedlich. Ich wette, mir hätte es in der Schule geholfen zu sehen, wie vielfältig es zum Beispiel ist, wenn ich durch mein Instagram-Feed scrolle. Ich habe mich einfach gefühlt als das eine Mädchen an der Schule mit Gesichtsspalte. Hätte ich aber gesehen, was es noch alles für Arten anders zu sein gibt, dann hätte mir das wahnsinnig Mut gemacht und während man sich am Anfang noch so bestärkt fühlt in seiner Außenseiterrolle und man sich quasi so verbindet und denkt, heh, wir zusammen gegen die Idealmenschen merkt man irgendwann, dass es so was wie Idealmenschen einfach überhaupt nicht gibt. Hier haben alle so viele Ecken und Kanten, die sind alle unterschiedlich. Ich hoffe, auch ich konnte dir mit diesen letzten Worten noch ein bisschen Mut machen, falls du vielleicht an einem Punkt bist, wo du dich manchmal anders fühlst. Denn Linus ging es so, mir ging es so und wir haben es auch geschafft an uns zu glauben und uns selbst sich anzunehmen, wie wir sind und das wünsche ich dir auch von ganzem Herzen oder allen Menschen in deinem Umfeld, falls du dir das für jemand anderes anhörst. Wir hoffen sehr, dass dir diese Podcast-Folge gefallen hat du daraus etwas mitnehmen konntest. Lass uns sehr gerne wissen, wie sie dir gefallen hat und gib uns in deinem Podcast-Player eine Bewertung. Wir sind sehr an deiner Meinung interessiert. Die nächste Folge erwartet dich dann in einem Monat und wenn du es nicht verpassen willst, abonniere doch unseren Podcast von Achtsam bis Zuckerfrei.

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