Ist ein Beziehungsverbot am Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber möglich?

Fast jeder oder jede zweite Beschäftigte in Deutschland hatte schon einmal eine Beziehung am Arbeitsplatz. Doch wie viel Mitspracherecht hat der Arbeitgeber in Liebesangelegenheiten seiner Mitarbeitenden? Und was ist rechtlich überhaupt zulässig?

Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz sind weit verbreitet

Laut einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Appinio im Auftrag von XING haben 48,3 Prozent der befragten Beschäftigten in Deutschland bereits amouröse Erfahrungen im Job gemacht. Besonders häufig entstehen Beziehungen zwischen direkten Kolleginnen und Kollegen – knapp 70 Prozent der Befragten gaben an, sich am ehesten zu ihnen hingezogen zu fühlen. Nur 17 Prozent nannten Vorgesetzte als Beziehungspartner.

Rechtlicher Rahmen in Deutschland: Privatsphäre geht vor

Immer wieder sorgen Liebesbeziehungen im Job für Konflikte – vor allem dann, wenn sie mit Führungskräften oder hierarchischen Abhängigkeiten verbunden sind. In den USA etwa gelten häufig strenge Verhaltensregeln („Code of Conduct“), die solche Beziehungen sogar verbieten können. In Deutschland ist das nicht zulässig. Deutsche Gerichte betonen, dass die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen am Arbeitsplatz grundsätzlich Privatsache ist.

Ein prominentes Beispiel: 2005 musste Walmart vor dem LAG Düsseldorf einlenken. Das Gericht entschied, dass ein in Deutschland geltender Ethikkodex, der Liebesbeziehungen unter Mitarbeitenden verbietet, rechtswidrig ist (Beschluss vom 14.11.2005 – 10 TaBV 46/05).

Was Unternehmen trotzdem regeln dürfen

Obwohl ein generelles Verbot von Liebesbeziehungen unzulässig ist, dürfen Unternehmen bestimmte Compliance-Regeln aufstellen – sofern diese verhältnismäßig sind und das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeitenden respektieren.

Erlaubt sind zum Beispiel Regelungen, die:

  • Interessenkonflikte verhindern sollen (z.B. bei Beziehungen zwischen Führungskraft und direkt unterstellter Person),
  • Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung vorbeugen,
  • Begünstigungen oder Vorteilsgewährungen durch Beziehungen vermeiden.

Ein Beispiel: Nach der Affäre um den früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt verlangt der Axel-Springer-Verlag von seinen Führungskräften, Beziehungen zu Mitarbeitenden offenzulegen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

Meldepflicht nur eingeschränkt denkbar

Eine allgemeine Meldepflicht für Liebesbeziehungen wäre aus rechtlicher Sicht problematisch. Der Arbeitgeber kann nicht vorschreiben, mit wem Mitarbeitende eine Beziehung führen – das fällt unter das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht. Anders sieht es bei klaren Machtgefällen aus: Eine Meldepflicht bei Beziehungen zwischen Führungskräften und direkt unterstellten Personen könnte in bestimmten Fällen zulässig sein. Ob solche Regelungen vor Gericht Bestand haben, ist allerdings noch offen.

Sanktionen? Nur bei konkretem Fehlverhalten

Die Beziehung selbst stellt in Deutschland keinen Kündigungsgrund dar. Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen sind nur dann denkbar, wenn durch die Beziehung zum Beispiel:

  • Vetternwirtschaft oder
  • Verstöße gegen Compliance-Richtlinien auftreten,
  • oder wenn Machtpositionen ausgenutzt werden.

In den USA mussten CEOs wie Brian Krzanich (Intel) oder Steve Easterbrook (McDonald’s) wegen interner Beziehungsverbote zurücktreten. In Deutschland wären vergleichbare Sanktionen nur bei konkretem Fehlverhalten rechtlich haltbar.

Fazit: Beziehungen sind mit Ausnahmen erlaubt.

Ihr Kontakt zu uns

Postfach 10 01 60
85001 Ingolstadt