Mitarbeiterabwerbung: Was ist erlaubt – und wo liegen die Grenzen?
In Zeiten von Fachkräftemangel blicken viele Unternehmen gezielt auf Talente der Konkurrenz. Doch das gezielte Abwerben von Mitarbeitenden ist rechtlich nicht grenzenlos zulässig. Wann Personalgewinnung noch als erlaubt gilt – und wann die Rechtsprechung von unlauterem Wettbewerb spricht –, erklärt dieser Beitrag.
Mitarbeiterabwerbung: Was ist erlaubt – und wo liegen die Grenzen?
In Zeiten von Fachkräftemangel blicken viele Unternehmen gezielt auf Talente der Konkurrenz. Doch das gezielte Abwerben von Mitarbeitenden ist rechtlich nicht grenzenlos zulässig. Wann Personalgewinnung noch als erlaubt gilt – und wann die Rechtsprechung von unlauterem Wettbewerb spricht –, erklärt dieser Beitrag.
Fachkräftemangel trifft Personalabbau – ein Paradoxon?
Obwohl viele Betriebe Personal abbauen, bleibt der Bedarf an qualifizierten Fachkräften hoch. Die Folge: Der Blick wandert von der Bewerberbörse zum Team des Wettbewerbers. Doch darf man Mitarbeitende einfach abwerben?
Die Antwort: Grundsätzlich ja – aber nicht unter allen Umständen. Unternehmen genießen sogenannte Abwerbefreiheit. Das bedeutet: Es besteht kein genereller Anspruch darauf, Mitarbeitende zu „halten“. Selbst das gezielte, planmäßige Abwerben ist erlaubt – selbst bei Schlüsselpositionen.
Wann ist Abwerbung unzulässig?
Die Grenzen der Abwerbefreiheit setzt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Nach § 4 Nr. 4 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert – sei es durch den Zweck der Abwerbung oder durch die eingesetzten Methoden.
Unzulässige Zwecke sind zum Beispiel:
- Abwerbung nur, um den Wettbewerber zu schwächen – ohne eigenes Beschäftigungsinteresse.
- Versuche, komplette Abteilungen samt Know-how oder Kundendaten zu übernehmen.
- Zielgerichtetes Ausspähen von Geschäftsgeheimnissen durch Mitarbeiterwechsel.
Methoden, die nicht erlaubt sind
Nicht nur das „Warum“, sondern auch das „Wie“ der Abwerbung kann rechtswidrig sein. Unzulässig sind insbesondere:
- Falschaussagen über den aktuellen Arbeitgeber.
- Anstiftung zur Vertragsverletzung, etwa durch das Herbeiführen einer außerordentlichen Kündigung ohne rechtlichen Grund.
- Manipulative Mittel wie Alkohol, Geschenke oder Druckausübung.
- Unerlaubtes Eindringen in die Betriebsstruktur des Konkurrenten, z. B. durch direkte Kontaktaufnahme im Unternehmen.
Telefon, Xing, LinkedIn – erlaubt oder nicht?
Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Wer Mitarbeitende telefonisch am Arbeitsplatz kontaktiert, darf nur ein kurzes Erstgespräch führen – mit dem Ziel, einen Gesprächstermin außerhalb der Arbeitszeit zu vereinbaren (BGH, Urteil vom 22.11.2007, Az. I ZR 183/04). Geht das Gespräch darüber hinaus, gilt es als unlauter.
Online-Plattformen wie Xing oder LinkedIn sind weniger problematisch – sofern der Kontakt sachlich bleibt. Eine unzulässige Herabwürdigung des Arbeitgebers ist jedoch tabu (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 23.05.2012, Az. 1 S 58/11).
Abwerbung durch Kollegen – besonders kritisch
Besondere Vorsicht gilt, wenn die Abwerbung durch eigene Kollegen erfolgt – etwa durch Mitarbeitende, die gekündigt haben und Kollegen oder Kolleginnen „mitnehmen“ wollen. Solche Abwerbeversuche verstoßen gleich doppelt gegen das Recht:
- Der neue Arbeitgeber greift aktiv in die Betriebsstruktur eines anderen Unternehmens ein.
- Der abwerbende Mitarbeitende verletzt das gesetzliche Wettbewerbsverbot (§§ 60, 61 HGB).
Bereits das Weitergeben von Kontaktdaten eines Konkurrenzunternehmens kann ausreichen, um als unzulässige Einflussnahme zu gelten.
Rechte der betroffenen Unternehmen
Wird ein Unternehmen durch wettbewerbswidrige Abwerbung geschädigt, kann es sich rechtlich zur Wehr setzen:
- Abmahnung und Unterlassungserklärung gegen den Abwerbenden
- Klage auf Unterlassung vor dem Zivilgericht (Landgericht)
- Schadensersatz, z. B. für teure Ersatzrekrutierung
- Verbot der Beschäftigung des abgeworbenen Mitarbeiters (in Ausnahmefällen)
Bei Verstößen durch eigene Mitarbeitende sind Arbeitgeber auf dem Weg über Abmahnung oder Kündigung auf das Arbeitsgericht angewiesen.
Wie Unternehmen sich schützen können
Trotz rechtlicher Möglichkeiten: Der beste Schutz gegen Mitarbeiterabwerbung beginnt intern – mit einer guten Unternehmenskultur und starker Mitarbeiterbindung. Wer seine Talente zufriedenstellt, bietet potenziellen Abwerbern wenig Angriffsfläche.
Darüber hinaus können vertragliche Maßnahmen helfen:
- Nachvertragliche Wettbewerbsverbote (max. zwei Jahre) mit angemessener Karenzentschädigung
- Klauseln gegen Abwerbung durch Kollegen im laufenden Arbeitsverhältnis
- Regelungen zur Geheimhaltung und Loyalität
Fazit
Mitarbeiterabwerbung ist nicht per se verboten – aber sie hat rechtliche Grenzen. Entscheidend sind Zweck, Methode und wer die Abwerbung betreibt. Unternehmen sollten die rechtlichen Spielräume kennen, Verstöße konsequent ahnden und gleichzeitig ihre Mitarbeitenden binden – nicht nur mit Gehalt, sondern mit echten Perspektiven.