Urlaubsanspruch: Das müssen Arbeitgeber beachten
Arbeitnehmende haben im Falle fortdauernder Erkrankung oder der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oft noch Urlaubsansprüche offen. In zwei Urteilen Ende letzten Jahres hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Hinweispflicht des Arbeitsgebers für Beschäftigte nun präzisiert und verschärft.
Verfall von Urlaub bei langfristiger Arbeitsunfähigkeit
Das erste Urteil betrifft einen als schwerbehindert anerkannten Arbeitnehmer mit einer mehrjährigen Arbeitsunfähigkeit. Dieser hatte im Anschluss Urlaub aus dem Jahr seiner Erkrankung geltend gemacht. Er ging davon aus, dass sein Resturlaub für das Folgejahr der Erkrankung entgegen bisheriger rechtlicher Handhabung nicht bis zum 31. März verfallen sei. Er legte überzeugend dar, der Arbeitgeber habe ihn vor Beginn der Erkrankung nicht in vollem Umfang über seinen Urlaubsanspruch und die Möglichkeit, dass dieser verfallen könne, aufgeklärt. Auch sei er vor Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit nicht dazu aufgefordert worden, Urlaub zu nehmen (BAG, Az. 9 AZR 245/19).
Das Bundesarbeitsgericht folgte dieser Sicht und machte deutlich, dass es zur Hinweispflicht des Arbeitsgebers gehört, den Arbeitnehmenden sowohl über Verfallfristen des konkreten Urlaubsanspruchs zu informieren als auch proaktiv aufzufordern, Urlaub in Anspruch zu nehmen. Mit einer Einschränkung: Diese Hinweispflicht gilt nicht, das heißt, der Urlaub verfällt, wenn der Arbeitnehmende im gesamten Urlaubsjahr bis Ende das 1. Quartals des Folgejahres den Urlaub infolge seiner Erkrankung überhaupt nicht antreten konnte.
Verjährungsfristen nach Ende des Arbeitsverhältnisses
In einer zweiten Entscheidung entschied das Gericht über einen Fall nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Angestellte forderte ihren Arbeitgeber über die tatsächlich erfolgte Abgeltung von 14 Tagen hinaus auf, weitere hundert Urlaubstage rückwirkend für einen Zeitraum von 20 Jahren abzugelten. Auch diese Klage war erfolgreich. Der Arbeitgeber hatte die Klägerin nicht ausreichend über Urlaubsanspruch, Verjährungsfrist und Inanspruchnahme informiert (BAG, Az. 9 AZR 266/20).
In diesem Punkt ist nun die EuGH-Regelung zur Verjährungsfrist vom BAG ausgestaltet und verschärft worden. Demzufolge wird grundsätzlich bei Verjährung etwaiger Urlaubsansprüche der gesetzliche Mindesturlaub herangezogen. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Allerdings beginnt die regelmäßige Frist nicht nach dem Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit Ablauf des Jahres, in dem Arbeitnehmende über ihre Urlaubsansprüche und Verfallfristen aufgeklärt wurden – und wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin den Urlaub dann trotzdem nicht in Anspruch genommen hat. Die sogenannte Hinweisobliegenheit räume dem Arbeitgeber aber die Möglichkeit ein, seine Aufklärungspflicht nachzuholen und die Frist mit Verspätung rechtssicher in Gang zu setzen.
Regelmäßige Aufklärung ist wichtig
Für den Arbeitgeber leiten sich aus den beiden Entscheidungen des BAG dringende Handlungsempfehlungen ab:
- Regelmäßig und rechtzeitig im Urlaubsjahr sollte er jeden einzelnen Arbeitnehmenden über den zum Zeitpunkt der Unterrichtung noch bestehenden Urlaubsanspruch aufklären und zur Einreichung des Urlaubs bis Jahresende auffordern. Dies sollte schriftlich erfolgen, damit der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er seine Hinweispflicht erfüllt hat.
- Einen Zeitpunkt zur Aufklärung hat der Gesetzgeber für die Hinweispflicht nicht festgelegt – und weder die aktuellen Entscheidungen des BAG noch solche aus der Vergangenheit haben das konkretisiert. Es liegt aber im Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmenden so früh wie möglich, mindestens aber in der ersten Jahreshälfte, über seine Rechte und Pflichten zur Inanspruchnahme des Urlaubs zu unterrichten, um ihn in die Lage zu versetzen, Jahresurlaub anzumelden. Mit Hinblick auf langandauernde Erkrankungen von Beschäftigten ist sogar die Aufklärung gleich zu Jahresbeginn angeraten, um einem Aussetzen der Verfallfrist für Urlaubsansprüche im Erkrankungsjahr entgegenzuwirken.
- Personalabteilungen müssen die Aufklärung über Urlaubsansprüche in vielen Fällen überarbeiten. Das Thema Verjährungsfrist ist bisher kaum Gegenstand richterlicher Entscheidungen gewesen. Nur mit umfassenden Hinweisen kann die Verjährung nicht genommenen Urlaubs im laufenden Arbeitsverhältnis sichergestellt werden.