Wann zählen Umkleide- und Duschzeiten als Arbeitszeit?
Gerade im öffentlichen Dienst, etwa in Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder bei kommunalen Betrieben, ist das Umziehen vor Arbeitsbeginn Alltag. Doch zählt diese Zeit zur bezahlten Arbeitszeit? Die Antwort: Es kommt darauf an. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu klare Grundsätze entwickelt.
Grundsatz: Umkleidezeit ist nicht automatisch Arbeitszeit
Nach § 6 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L gelten Umkleide-, Wasch- und Wegezeiten grundsätzlich nicht als Arbeitszeit – selbst wenn das Umkleiden am Arbeitsplatz erfolgt.
Ausnahme: Arbeitszeit bei fremdnützigem Umkleiden
Die Umkleidezeit wird laut Rechtsprechung dann zur Arbeitszeit, wenn:
- der Arbeitgeber das Tragen bestimmter Arbeitskleidung vorschreibt, und
- diese Kleidung zwingend im Betrieb angelegt werden muss, oder
- es sich um besonders auffällige Kleidung handelt, sodass der Beschäftigte sie aus eigenem Interesse nicht auf dem Arbeitsweg tragen würde.
Das Umkleiden muss also allein oder überwiegend im Interesse des Arbeitgebers erfolgen (sogenanntes „fremdnütziges Umkleiden“). Ist dies auch im Interesse des Beschäftigten, etwa weil er sich freiwillig vor Ort umzieht, zählt die Zeit nicht zur Arbeitszeit.
Wann gilt Kleidung als besonders auffällig?
Ob Arbeitskleidung als „auffällig“ einzustufen ist, richtet sich nach einem objektiven Maßstab:
- Einheitliches Erscheinungsbild (Uniformität)
- Sichtbares Logo oder Schriftzug des Arbeitgebers
- Berufsspezifische Kleidung, zum Beispiel weiße Krankenhauskleidung
Selbst dezent gestaltete Kleidung gilt als auffällig, wenn sie Beschäftigte klar einem bestimmten Unternehmen, Träger oder Berufszweig zuordnet (BAG, Beschlüsse vom 17.11.2015 und 6.9.2017).
Arbeitszeit bei Schutzkleidung und Wegezeiten
Muss laut Arbeitsschutzrecht Schutzkleidung getragen werden, zählen:
- An- und Ausziehen der Kleidung sowie
- Wegezeiten zwischen Umkleide und Arbeitsplatz
- zur Arbeitszeit – unabhängig vom Ort oder der Auffälligkeit der Kleidung.
Wann zählt Duschen als Arbeitszeit?
Auch Duschen oder Waschen kann Arbeitszeit sein. Nach einem aktuellen BAG-Urteil (23.04.2024, 5 AZR 212/23) gilt dies, wenn die körperliche Reinigung zwingend erforderlich ist – etwa bei starker Verschmutzung durch die Tätigkeit. In solchen Fällen ist das Duschen nicht privat motiviert, sondern erfolgt im Interesse des Arbeitgebers, um gesundheitliche oder hygienische Standards zu erfüllen.
Was sagen Tarifverträge wie der TVöD oder TV-L?
Ein Tarifvertrag kann vorsehen, dass Umkleide- und Waschzeiten nicht vergütet werden, selbst wenn sie arbeitszeitrechtlich zu berücksichtigen wären. Für den TVöD und TV-L existiert jedoch keine solche Ausschlussregelung – hier besteht also grundsätzlich ein Vergütungsanspruch, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
Wie wird die Umkleidezeit ermittelt?
Die Dauer der Umkleide- oder Wegezeit hängt vom individuellen Zeitbedarf des Beschäftigten ab. Maßgeblich ist, wie viel Zeit er bei normaler Leistungsfähigkeit benötigt.
Dabei gilt:
- Beschäftigte müssen nachweisen, dass und wie lange sie sich umkleiden oder Wege zurücklegen mussten.
- Ist der Umfang unklar, kann das Arbeitsgericht die Zeit schätzen (BAG, Urteil vom 26.10.2016, 5 AZR 168/16).
Fazit: Vergütungspflicht abhängig vom Einzelfall